Woher diese „erfrischende Salzigkeit“ in den Weinen komme, könne er auch nicht genau sagen. „Aber sie ist in jedem Fall da“, sagt Sommelier Nani Ramon, der beim Weingut Edetària unter anderem für Marketing und Sales zuständig ist. Gerade haben wir einen Rosé und vier Weißweine verkostet. Sechs Rotweine werden folgen. Es ist früher Donnerstagmorgen, und an diesem letzten Tag der Weinmesse Fenavin herrscht wenig Betrieb. Entsprechend kann sich Nani ausgiebig Zeit für mich nehmen. Fast eine Stunde verbringe ich alleine mit ihm am Stand.
Nani Ramon versteht es sich klar auszudrücken. „Wir wollen Trauben und keine Möbelstücke“, ist so ein Satz. Die Aussage ist auf den Einzellagenwein Finca La Pedrissa 2015 gemünzt. Holzeinsatz bei diesem Rotwein? Ja, der Struktur wegen, aber behutsam. Wichtig ist es, den Charakter der Rebsorte zu erhalten. In diesem Fall ist es die Cariñena, die sortenrein vinifiziert ist: Von dunkler Frucht, großer Reinheit und Eleganz zeugt das Gewächs. Die Tannine sind fein integriert und getragen wird es von einer fabelhaften Säure. Spektakulär ist das kräuterige Finish. Als „komplexeste Rotweinrebe“ Kataloniens bezeichnet Nani die Cariñena.
Vor allem ist es die Garnacha, der sich Edetària widmet. Das Anbaugebiet Terra Alta ist eine Hochburg für diese Rebsorte bzw. deren Varietäten. Drei reinsortige Parzellenweine stehen beispielhaft dafür: Druckvoll und würzig ist der Finca La Genuina 2016 aus Garnacha Fina. Superfrisch und mit salzigem Grip der Finca La Personal 2016 aus Garnacha Peluda. Vollmundig und animierend der weiße Finca La Terrenal 2016 aus Garnacha Blanca. Es sind durchweg komplexe und spannende Weine, die gleichzeitig nicht kompliziert sind. Weine von Edetària meistern den Spagat aus Charakter und Zugänglichkeit. Das ist eine hohe Kunst.
Diese Kunst gilt im Übrigen nicht nur für die erwähnten Finca- bzw. Parzellenweine der oberen Preisschiene (ca. 40€). Bereits die Einstiegslinie Via Terra überzeugt: Der Via Terra Blanco 2017 (Garnacha Blanca & Viognier, ca. 8€) fand sogar Eingang ins berühmte Top-100-Ranking des Wine Spectator. Die Trauben für jenen Weißwein werden in zwei Durchgängen mit mehreren Tagen Abstand geerntet, klärt mich Nani auf: So erhält Edetària frisches wie reifes Lesegut. Die Frische und Reife spiegelt sich entsprechend im Wein wider.
In die Kategorie „anspruchsvolles easy-drinking“ darf ferner der rote Via Edetana 2017 (ca. 14€) eingeordnet werden. Weich und saftig ist diese hervorragend ausbalancierte Cuvée aus Garnacha Fina, Garnacha Peluda, Syrah und Cariñena. Eine echte Granate ist wiederum der Weißwein Edetària t Selecció Blanco 2017 (Garnacha Blanca, ca. 23€): seidige Textur, voluminös, vielschichtiger mineralischer Tiefgang.
Edetària – Wein als Familientradition
Verantwortlich für all dieses Gelingen ist Joan Àngel Lliberia. Er hat das Weingut im Jahr 2003 gegründet. Zurückgreifen konnte er dabei auf dreißig Hektar Rebland seiner Familie. Bereits seine Eltern und der Großvater waren Winzer. In ihrer Kellerei im Ort Gandesa erzeugten sie einfachen Wein, der lokal getrunken wurde.
Sohn Joan schaute sich zuerst in der Weinwelt um. Er studierte Agrarwissenschaften im katalanischen Lleida und anschließend Weinmanagement in Frankreich, wo er im Weinsektor zu arbeiten begann, ehe er heimkehrte und Edetària gründete. Mittlerweile bewirtschaftet das Weingut sechzig Hektar in Eigenregie und kommt damit auf eine Produktion von 220.000 Flaschen im Jahr. Das durchschnittliche Alter der Reben beträgt vierzig Jahre, die ältesten Stöcke sind achtzig bis neunzig Jahre alt.
Das moderne, ebenfalls 2003 errichtete Kellereigebäude befindet sich zwischen Weinbergen abseits des Dorfs auf etwa 400 m Meereshöhe. Hier herrscht mediterranes Klima mit kontinentalen Einflüssen. Das heißt: Trockene kalte Winter und trockene heiße Sommer mit hohen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht. Dies sind prima Voraussetzungen für den Weinanbau: Die Tageshitze lässt die Trauben gut ausreifen, und der Temperaturrückgang in der Nacht sorgt für frische Säure. Für Abkühlung sorgen außerdem teils strenge Nordwestwinde aus Richtung der Pyrenäen und feuchte Winde vom Mittelmeer.
Was Terra Alta ferner speziell macht, ist die Vielfalt an Böden. Fünf verschiedene Bodentypen beziffert allein Edetària in den eigenen Lagen. Zumeist sind sie reich an Kalk und Lehm und verfügen über einen guten Wasserhaushalt, was die geringen Niederschläge kompensiert. So fügt sich das eine ins andere. Das letzte Puzzleteil in dem was gemeinhin als „Terroir“ bezeichnet wird, ist der Winzer Joan Àngel Lliberia selbst. Erst durch sein Können und seine Handschrift entstehen große Weine.
Terra Alta – Land der Garnachas
Zurück zum Edetària-Stand auf der Fenavin. Dort hängt ein Plakat mit der Aufschrift „Terra de Garnatxes“ – „Land der Garnachas“. Die Rebsorte im Plural wohlgemerkt.
Da wäre zum Beispiel die Garnacha Tinta, die in Spanien am zweithäufigsten angebaute Rotweinsorte. In Terra Alta wird sie Garnacha Fina oder auf katalanisch Garnatxa Negre genannt. Drei Namen, ein und dieselbe Sorte. International ist diese ursprünglich aus Nordspanien stammende Rebe als Grenache bekannt.
Eine eigenständige Varietät ist hingegen die viel seltener vorkommende Garnacha Peluda. Wenn überhaupt in Spanien, stößt man in Terra Alta und im benachbarten Anbaugebiet Tarragona auf sie. Mit ihrer pelzigen (Schutz)Behaarung auf den Blättern hat sich die Peluda prima an die mediterrane Sommerhitze angepasst. In der Regel ergibt die Sorte sehr frische Moste.
Darüber hinaus findet ein Drittel des weltweiten Anbaus der weißen Garnacha Blanca in Terra Alta statt. In der einschlägigen Literatur lese ich immer davon, die Sorte sei säurearm oder verfüge über eine „zurückhaltende“ Säure. Wenn ich dann Weißweine aus Garnacha Blanca trinke, wie jetzt wieder mit Nani Ramon, empfinde ich genau das Gegenteil. Die Gewächse zeigen alle eine lebhafte Säure und sind wunderbar frisch. Vergessen wir also die Theorie. Trinken wir lieber Edetària.
Bildinformation: Die Fotos 3, 4, 5 in diesem Beitrag mit freundlicher Genehmigung von Edetària.
Bezugsquelle: www.vinopolis.de
Danke für den schön geschriebenen Artikel, der mir, als großer Bewunderer der verschiedenen Rebsorten namens Garnacha, großen Appetit auf die Weine von Edetária gemacht hat. Warum die Weine aus der Garnacha Blanca entgegen des bestehenden Vorurteils, säurereich waren kann daran liegen, dass ein kleiner Teile der Trauben bereits sehr früh, d.h. noch unreif, gelesen werden und später zu einer Cuvée mit den später gelesenen (reifen) und säureärmeren Jungweinen zusammengefügt werden. Eine Art der Vinifikation, die ich bei Weißweinen von Barbara Forés, ebenfalls Terra Alta, kennen gelernt habe.
Peter, vielen Dank für den freundlichen und fachkundigen Kommentar. Das ist zumindest bei einigen Edetària-Weinen genau der Fall, wie Du das beschreibst: Das Lesegut wird in mehreren Durchgängen geerntet – etwas früher, der Säure und Frische wegen; etwas später um Reife zu erhalten. Die daraus entstehenden Moste werden später zusammengebracht. Beste Grüße!