Rotes Rueda – ein Bruñal und eine uralte Rebe ohne Namen

Das Anbaugebiet Rueda ist eigentlich ein Synonym für Weißweine, vornehmlich aus der Rebsorte Verdejo. Klickt man beispielsweise bei vinos.de – dem größten deutschen Onlinehändler für spanische Weine – die Rubrik „Rueda“ an, dann tauchen 65 Einträge auf: Die Positionen bestehen aus 64 Weißweinen und einem Roséwein.

Im spanischen Weinhandel wiederum halten die Gewächse aus Rueda im Weißwein-Segment einen Marktanteil von über vierzig Prozent (laut Auskunft des Kontrollrats der DO). Rueda ist in diesem Sektor somit die unangefochtene Nummer Eins im Land.

Dass es auch Rotweine in Rueda gibt, habe ich erstmals vor zwei Jahren bei einem Pressebesuch bei Bodega Javier Sanz Viticultor erfahren. Eine faszinierende Geschichte von uralten Reben und einer genetisch unbekannten Sorte ist es dazu.

Eingang zur Bodega von Javier Sanz, La Seca, DO Rueda.
Am Eingang zum Weingut in La Seca, DO Rueda.

V Colorado – ein Rotwein aus einer unbekannten Sorte

Das Weingut von Javier Sanz befindet sich im Ort La Seca, einem Zentrum des Anbaugebiets Rueda. Es bewirtschaftet diverse Weinberge, die zusammen auf eine Fläche von mehr als hundert Hektar kommen. Eine der Parzellen ist Pago de Saltamontes – ein für mich magischer Weinort, der sich nahe des Flusses Duero auf 2,27 Hektar ausbreitet.

Die Magie ergibt sich aus dem Alter des Weinbergs und seiner Reben: Pago de Saltamontes wurde 1863 schriftlich registriert, und das besondere an der Lage ist, dass ihre Reben die große Reblausplage im späten 19. Jahrhundert überlebt haben. Damals raffte die Reblaus, welche die Wurzeln der Stöcke befällt, fast 90.000 Hektar Weinland im Rueda-Gebiet dahin. Nur etwa 200 Hektar blieben unversehrt, darunter eben Pago de Saltamontes, dessen sandiger Boden der Reblaus nicht zusagt. Denn der Schädling kann sich im Sand nur schwerlich fortbewegen.

99 Prozent der Parzelle sind mit der Weißweinrebe Verdejo bestockt. Aufgrund des Alters der Reben und der weiten Abstände in der Bepflanzung sind die Ernteerträge gering, sie liegen bei etwa 1100 Kilogramm Trauben pro Hektar. 

Namenlose Rebe im Pago de Saltamontes. Javier Sanz, Rueda
Im Pago de Saltamontes: Uralter Rebstock von unbekannter Spezies

Bei einer Begehung von Pago de Saltamontes stößt man irgendwann auf einen Rebstock, der wie ein Mini-Baum anmutet. Die wurzelechte Rebe mit einem Alter von über 150 Jahren trägt rote Trauben. Und als wäre das nicht schon erstaunlich genug, haben Laboruntersuchungen ergeben, dass die DNA der Pflanze in keiner Datenbank über Rebsorten zu finden ist. Ergo handelt es sich um eine genetisch einzigartige Sorte, die unbekannt und ohne Namen ist. Nicht einmal verwandt ist sie zu anderen Reben.

Aus dieser alten „Mutterrebe“ hat Javier Sanz vor vierzehn Jahren damit begonnen neue Stecklinge zu vermehren und zu pflanzen. Und aus eben jenen Reben wird heute der Rotwein V Colorado gekeltert. Er wird im Stahltank vergoren und danach fünfzehn Monate in französischen Barriques ausgebaut. Der Jahrgang 2016 ist mir neulich ins Glas gekommen: Es ist ein subtiler Wein, der mich mit seiner Saftigkeit und Frische eher an Cool Climate erinnert, als an heißes Spanien. Fein balanciert, komplex und tiefgründig kommt er daher. Ein exzellenter Tropfen mit einer einzigartigen Geschichte.

Der Autor im Pago de Saltamontes. Rueda.
Der Autor im Pago de Saltamontes (Foto: Elena Moral)

Bruñal – eine autochthone Rotweinrebe aus Kastilien-León

Mit seinem Interesse und Engagement für fast vergessene autochthone Rebsorten hat sich Javier Sanz mittlerweile an ein zweites Rotweinprojekt gemacht. Konkret geht es um die Erzeugung eines sortenreinen Bruñal. Gerade hat das Weingut den neuen Jahrgang 2018 lanciert und mir auf Anfrage eine Flasche zukommen lassen. Da die Bruñal als Rotweinsorte in der DO Rueda nicht zugelassen ist, läuft der Wein unter der Herkunftsbezeichnung VT Castilla y León, ist also offiziell ein Landwein.

Bruñal ist eine Rebe, die von Rueda aus gesehen weiter flussabwärts des Dueros stammt: In der Sierra de Salamanca und in der DO Arribes, nahe an der Grenze zu Portugal, ist sie ursprünglich zuhause und bis heute überwiegend zu finden. Wenngleich sie auch dort eher selten vorkommt.

Der Bruñal 2018 von Javier Sanz ist im Stahltank vergoren und hat einen moderaten Holzeinsatz von fünf Monaten Barrique erfahren. Trotz des jungen Jahrgangs ist der trockene Rotwein bereits trinkreif. Er zeigt eine leckere rote Frucht und schmeckt schön frisch. Ich habe den Wein mit meiner Familie zum Abendessen getrunken, als Begleiter zu einer Caponata: Das feine Spiel aus Säure und süßlichem Finish dieses Weins harmonierte dabei ganz prima mit den leicht säuerlichen Tomaten und den etwas bitteren Kapern und Oliven.

Rotweine von Javier Sanz Viticultor.
Die Roten von Javier Sanz Viticultor: Bruñal und V Colorado.

Hochebene sorgt für frische Weine mit prima Säure

Rueda kann also auch Rotwein. Das zeigt uns Javier Sanz, der das Weingut in vierter Familiengeneration betreibt. Wie der Weingarten Pago de Saltamontes schaut auch die Bodega auf eine über 150-jährige Geschichte zurück.

Die DO Rueda liegt übrigens zwischen den Rotwein-Hochburgen Ribera del Duero und Toro. Obwohl das Anbaugebiet sehr flach ist, erstrecken sich die Weinberge rund um La Seca auf einer Meereshöhe von 700 bis 800 Metern. Wir befinden uns auf einer Hochebene, die praktisch ganz Zentralspanien durchzieht. Das Klima ist streng kontinental mit heißen trockenen Sommern und kalten Wintern.

Durch die Höhe kühlt es selbst an heißen Sommertagen nachts ab. Dies verschafft den Reben eine Ruhepause, in der sie Säure herausbilden und konservieren können. Neben Reife und Extrakt, welche die Sonne mit sich bringt, erhalten wir so außerdem Weine mit ausgezeichneter Frische und Lebhaftigkeit. Auf die von mir verkosteten Rotweine von Javier Sanz trifft dies beispielhaft zu.

Alte Bodega von Javier Sanz in La Seca.
In der früheren Bodega in La Seca werden heute die Verkostungen abgehalten.

Javier Sanz erzeugt freilich auch Weißweine. Wir sind schließlich in Rueda. Ich kann diesen Artikel deshalb nicht beenden, bevor ich zumindest auf einen hingewiesen habe: Der V 1863 stammt von den uralten Verdejo-Reben im Pago de Saltamontes. Es ist ein Weißwein mit viel Grip am Gaumen und einem rauchig-mineralischen Tiefgang. Hinzu kommt ein komplexes Aromenspektrum, das Steinobst, Zitrusfrüchte und vegetabile Noten kombiniert. Das Reifepotenzial ist für einen Verdejo (die für gewöhnlich jung getrunken werden) hoch: Mit den Jahren wird er immer mächtiger und opulenter. Mindestens fünf Jahre darf man diesem Weißwein geben. Erst dann zeigt er alles, was in ihm steckt. Es empfiehlt sich derzeit also am besten den 2014er zu probieren.


Weitere Informationen:

Bildnachweis: Das Foto 4 in diesem Beitrag mit freundlicher Genehmigung von Bodega Javier Sanz Viticultor.

Bezugsquelle V Colorado: www.blauwein.de, Hamburg
Bezugsquelle Bruñal: Vinos Maricel, Frankfurt a. M.
Bezugsquelle V 1863: www.vipino-wein.de

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