Im vorigen Beitrag habe ich über elegant anmutende Rotweine vom galicischen Atlantik geschrieben. Heute begebe ich mich auf die Sonnenseite Spaniens zum Mittelmeer. In den letzten Monaten habe ich eine gute Menge aus den Regionen Katalonien, Mallorca, Valencia, Murcia und Andalusien probiert und dabei gemerkt, dass Rotweine vom Mittelmeer (und dessen Hinterland) nicht zwingend kräftig und alkoholisch sein müssen, wie das gemeinhin angenommen wird und zugegeben häufig der Fall ist.
Ein paar dieser mediterranen Weine haben mich stattdessen mit Eigenschaften wie Frische, Eleganz und – man höre und staune – Leichtigkeit verblüfft. Unter anderem deshalb bieten die sechs Gewächse, die ich in diesem Beitrag vorstelle, allesamt viel Trinkspass. Zudem handelt es sich um recht günstige Weine im Preissegment von 8 bis 15 Euro. Klasse und Individualität brauchen nicht zwingend teuer zu sein.
Frisches, leichtes Mittelmeer: 4 Kilos aus Mallorca, Sedella aus Málaga und Finca La Lagunilla aus Alicante
Ich habe den Artikel in zwei Teile gegliedert. In diesem ersten Part gehe ich auf drei Weine ein, die aus meiner Sicht untypisch für den Mittelmeerraum sind. Oftmals kommen mediterrane Weine mit dunkler Farbe, schwer und alkoholisch daher. Sie verfügen über einen kräftigen Körper, viel Tannin und Extrakt. Dieses Erscheinungsbild hat freilich mit den zahlreichen Sonnenstunden und dem insgesamt heißen mediterranen Klima zu tun, in dem die Trauben reifen.
Ab und zu finden sich dann aber Rotweine vom Mittelmeer, die so gar nicht dem Bild des spanischen Vollbluts entsprechen wollen. Sie besitzen eine helle Farbe, haben moderate Alkoholgrade und wirken äußerst schlank, elegant und leichtfüßig. Ein solcher Wein ist 2017 Tanuki Bob von 4 Kilos aus Mallorca. Ich habe dieses Gewächs neulich bei einem Grillabend richtig genossen – so frisch, so aromatisch, so klar und so gut balanciert. Es hat einen derart guten Trinkfluss, dass ich mich beim Grillen zügeln musste noch etwas fürs eigentliche Essen übrig zu lassen. Manche Flaschen ziehen sich weg wie nichts.
Hinter dem Namen 4 Kilos verbergen sich der Önologe Francesc Grimalt und sein Geschäftspartner Sergi Caballero. Im Jahr 2006 gegründet, ist 4 Kilos mittlerweile in der Weinszene ziemlich bekannt und angesagt. Luis Gutierrez, der die Parker-Punkte für Spanien vergibt, bezeichnet das Weingut als die Nummer Eins auf Mallorca.
4 Kilos arbeiten im Weinberg biologisch. Die meisten Reben wachsen auf roter tonhaltiger Erde, die außerdem Kies, Sand und Kalkstein enthält. Diese speziellen Böden verfügen über einen guten Wasserhaushalt, und so können die Trauben gut reifen. Auf Mallorca nennt man die Böden „call vermell“. Der Rotwein Tanuki Bob ist aus der autochthonen Rebsorte Mantonegro (und ein wenig Syrah) gewonnen. Für mich stellt er die erste, aber garantiert nicht letzte Begegnung mit 4 Kilos dar.
Wir bleiben in der Kategorie frisch und schlank, wechseln aber die Region. Im bergigen Hinterland der Costa del Sol befindet sich das Weingut Sedella. Die Axarquia ist eine Subzone der D.O. Sierras de Málaga. Weinmacher Lauren Rosillo erzeugt hier seit 2006 von der Kritik hochbewertete Weine aus den autochthonen Sorten Romé und Moscatel de Alejandría. Außerdem ist er als Önologe für Weingüter der Familie Martinez-Bujanda in Rioja, Rueda und La Mancha tätig. Den 2015 Laderas de Sedella Ánfora baut Lauren Rosillo überwiegend in Tonamphoren und Betoneiern aus. Es ist ein saftiger und eleganter Rotwein mit transparenter Farbe, erdig-mineralischen Anklängen und animierendem Abgang.
Die Romé ist ihre Eigenschaften betreffend eine typisch mediterrane Rebe (auch wenn ihre Weine im Stil nicht typisch mediterran daherkommen). Ihre dickhäutigen Beeren sind in den Traubenclustern dicht aneinander gepresst, das macht die Sorte eigentlich anfällig für Pilzbefall. Die heißen trockenen Sommer der Axarquia und eine stetige Brise vom Mittelmeer verhindern jedoch die Bildung von Schimmelpilzen. Kultiviert wird die Rebsorte einzig in der andalusischen D.O. Sierras de Málaga. Schriftliche Quellen aus dem Jahr 1807 ordnen sie bereits der Region zu. Gegenwärtig sprechen wir von kleinen Produktionsmengen und wenig Anbaufläche: So registriert der Kontrollrat der D.O. Sierras de Málaga nur fünf Hektar Rebland.
Neben der Rebsorte Romé sind die Hochlagen bis 900 m.ü.NN und die Schieferböden in der Axarquia eine Besonderheit. Hauptsächlich kommen schwarzer und grauer Schiefer vor. Lauren Rosillo verfügt ferner über Lagen mit weißen Schieferböden und er sagt, dass die Romé auf weißem Schiefer ganz anders zur Geltung kommt. Ich werde das Weingut Sedella demnächst besuchen und dann genauer darüber berichten.
Aus der Provinz Alicante stammt ein weiterer interessanter Rotwein. Nachdem ich ihn vor zwei Jahren erstmals getrunken habe, hat mir der 2016 Alagú Forcallat von Finca La Lagunilla (Casa Corredor) auch jetzt wieder enorm gut gefallen: Fruchtige und florale Noten und ein guter Säurezug zeichnen das Gewächs aus. Ein insgesamt aromatischer und frischer Rotwein. Laura Ramos, die Önologin von Casa Corredor, gehört ferner dem angesagten Weinkollektiv Envínate an. Den Alagú Forcallat vergärt sie zu 70 Prozent mit den Traubenstielen, was dem Wein mehr Struktur gibt.
Forcallat ist eine Rebsorte, die traditionell im spanischen Südosten angebaut wird. Bevor die Reblaus im ausgehenden 19. Jahrhundert nahezu alle Weinberge in Spanien vernichtete, war die rote Traube häufiger im Anbau vertreten als sie es heute ist. Die Forcallat ist nicht einfach zu bearbeiten, weil sie empfindlich gegenüber Krankheiten wie Mehltau ist. Sie bringt zugleich einige Vorteile mit sich: Zum einen ist sie beständig gegen Wasserstress. Sie hält Dürre gut aus, und das prädestiniert sie für die Levante-Region, die nicht erst seit dem Klimawandel unter Trockenheit leidet. Zum anderen ergibt die Forcallat leichte und helle Moste mit niedrigem Alkoholgehalt. Und das ist, was viele Konsumenten derzeit in Weinen suchen.
Ein kurzes Zwischenfazit zu diesen drei Weinen: Sie sind leicht, hell, elegant und frisch. Süffig im positiven Sinn. Sie trinken sich leicht weg, haben einen guten Zug, sind aber alles andere als flach oder langweilig, sondern interessant und aromatisch komplex. Jeder dieser Rotweine ist wirklich klasse. Bei einer Blindverkostung, glaube ich, würde niemand diese Weine dem mediterranen Raum zugeordnet werden. Helle Farbe und Leichtigkeit assoziiert man nun einmal nicht mit Mittelmeer.
Mehr mediterrane Eleganz: Vinyes d’Olivardots aus Empordá, Casa Castillo aus Jumilla und Enrique Méndoza aus Alicante
Ich habe das Wort „Eleganz“ bereits mehrfach in diesem Text verwendet. Ich erkläre kurz, was ich darunter verstehe. Eleganz ist für mich die Kombination aus Frische und Balance. Ein Wein muss zwingend frisch und zwingend gut balanciert sein, damit ich ihn als elegant bezeichnen würde. Ob der Wein einen schlanken oder vollen Körper hat, ist dabei nicht so entscheidend.
Die folgenden drei Weine sind im Vergleich (zu den vorangehend vorgestellten) typisch mediterran. In dem Sinne, dass sie einen kraftvolleren Körper und höhere Alkoholgrade haben. Ferner sind sie aus den klassischen Mittelmeer-Reben Monastrell (Mourvèdre), Garnacha (Grenache), Cariñena (Carignan) und Syrah gekeltert. Frische und Balance sind bei ihnen ebenfalls gegeben.
Das Weingut Vinyes d’Olivardots in der katalanischen Appellation D.O. Empordá habe ich im vergangenen Sommer besucht. Der damalige Beitrag ist hier nachzulesen. Ich war beeindruckt von den charaktervollen Weinen und ebenso der biodynamischen Herangehensweise der Winzerinnen Carme Casacuberta und ihrer Tochter Carlota Pena. Die Vitalität der Böden aus Kieselstein, Sand, Granit, Ton und Quartz spielt für sie eine entscheidende Rolle.
Der 2016 Finca Olivardots Vermell mit der Hauptsorte Syrah (70%) und je 10 Prozent Carinena, Garnacha und Cabernet Sauvignon ist klar konturiert, mit transparenter Frucht und etwas Pfeffer. Der in gebrauchten Barriques ausgebaute Wein fühlt sich – auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole – schön frisch und weich an.
Die Frische in diesem Wein erstaunt umso mehr, weil die Weinberge von Vinyes d’Olivardots ziemlich niedrig liegen. Der spanische Weinbau profitiert mehrheitlich davon, dass Gebirgsketten bis nah ans Mittelmeer reichen und sich hinter den Bergen eine riesige Hochebene durch das gesamte Land zieht. Diese Hochlagen von 500 bis 1100 m.ü.NN bringen kühle Nächte mit sich, so dass die Trauben langsamer und besser ausreifen und ebenfalls besser Säure konservieren können.
In Empordá tritt anstelle der Hochlage ein anderes Wetterphänomen in den Vordergrund: Der aus den Pyrenäen kommende Nordwind “Tramontana” erreicht in der Spitze 150 km/h. Aufgrund dieses heftigen Winds sind bei Vinyes d’Olivardots die Weinberge nach Norden ausgerichtet. So zieht der Wind geradewegs durch die Rebzeilen, ohne Schaden anzurichten. Unterstützend wirkt diesbezüglich das Lyra-Erziehungssystem. Benannt ist es nach der Lyra (Leier), weil die Metallgestänge in der Form dem antiken Zupf- und Saiteninstrument ähneln. In jener V-förmigen Drahtrahmenerziehung wachsen die Reben abwechselnd nach links und rechts und bilden so einen durchlässigen Windkorridor.
Ein Rotwein, der mich in zweifacher Hinsicht verblüfft hat, ist der 2017 Monastrell von Casa Castillo. Erstens ist die Cuvée aus Monastrell (88%) und Garnacha (12%) gemessen am günstigen Preis von 7,90 Euro extrem gut geraten. Zweitens hat der Wein recht hohe 15% Alkohol, die allerdings super eingebunden sind. Die Textur ist weich und elegant, der Wein ist saftig und hat Zug. Da ist nichts, was an Marmelade erinnern würde. Stattdessen ein toller, frischer Wein. Beziehen wir das Preis-Genuss-Verhältnis mit ein, verdient er sogar das Prädikat Extraklasse.
Übrigens: Der Rotwein 2017 Las Gravas vom selben Weingut ist nochmals frischer, eleganter und pointierter, allerdings auch zu einem deutlich höheren Preis. Nachdem ich nun vier Weine von Casa Castillo probiert habe, komme ich zur Einschätzung: Bessere Weine aus der D.O. Jumilla kenne ich nicht. Wer mit dem Weingut bereits vertraut ist, weiß wovon ich spreche. Wer es noch nicht kennt, sollte sich schnell ein paar Flaschen besorgen.
Eines der bekanntesten Weingüter der D.O. Alicante ist Bodegas Enrique Méndoza. Im Englischen gibt es den Begriff „quality leader“, also einer der vorangeht und Qualitätsmaßstäbe setzt. Der 2017 Finca Xaconero ist zu aus 90 Prozent aus der heimischen Monastrell-Traube erzeugt. Der kleine Rest verteilt sich auf Garnacha und Syrah. Für mich ist es der „Mediterranste“ der sechs vorgestellten Weine. Er zeigt typische Aromen wie Rosmarin, Lavendel und Kiefer, dazu eine reife Frucht und feingewobenes Tannin. Es ist ein dunkler, kraftvoller und zugleich harmonischer Rotwein aus alten Reben. Und ebenfalls verfügt er über Frische.
Der Name des Weins „Xaconero“ steht für „Xarco de Enero“. Übersetzt bedeutet das „Seen im Januar“. Jenes Land wurde bereits im 16. Jahrhundert kultiviert. Damals regnete es in den Herbstmonaten derart viel, dass sich das Wasser bis in den Januar hinein auf der Oberfläche staute und Pfützen bildete. Diese Zeiten sind freilich vorbei. Die sogenannten levantinischen Gebiete in den Autonomen Gemeinschaften Murcia und Valencia (zu der die Provinz Alicante gehört) sind stark von Wassermangel und Verwüstung betroffen. Der Klimawandel verschärft das Problem. Umso wichtiger ist es, dass sich Erzeuger wie Enrique Méndoza um eine nachhaltige Landwirtschaft und den Erhalt dieser (Wein-)Kulturlandschaft bemühen.
Soweit mein Beitrag unter dem Motto „Frische und Eleganz vom Mittelmeer“. Mit drei schlanken und drei körperbetonteren Rotweinen. Alle zu einem bezahlbaren Preis. Aus recht unbekannten Sorten wie Forcallat, Romé und Mantonegro sowie aus den Klassiker-Trauben Monastrell, Garnacha und Syrah.
Fast 1800 Kilometer Küste liegen zwischen der D.O. Empordà an der Costa Brava und der D.O. Sierras de Málaga an der Costa del Sol. Ein Kulturraum, in dem neben Wein auch Oliven, Mandeln und Zitrusfrüchte eine wichtige Rolle spielen. Weingebiete mit roten Ton-, weißen Kalksand- und dunklen Schieferböden. Regionen, die allesamt über viel Sonne und wenig Wasser verfügen.
Ich wollte die Weinvielfalt dieses geografischen Raums zumindest andeuten. Definitiv können die Weine vom Mittelmeer mehr als Kraft und Konzentration. Einigen Winzern und Winzerinnen – beispielhaft jene in diesem Beitrag – gelingt es darüber hinaus Finesse, Balance und Frische zum Vorschein zu bringen.