Pérez Barquero: Time Is On My Side

Pérez Barquero, Keller, Zementamphoren

Ein Besuch des Weinguts Pérez Barquero gleicht einer Zeitreise: Von den Weinbergen mit 70 Jahre alten Reben auf Albariza-Böden über die 80 Jahre alten Betonamphoren für die Weinbereitung bis hin zur Verkostung von Weinen mit einem Durchschnittsalter von 90 Jahren und des 100 Jahre alten Brandys Monte Cristo. Klar ist: Die Zeit nimmt in Andalusien eine ganz eigene Dimension ein.

Das Weinbaugebiet Montilla-Moriles in der andalusischen Provinz Córdoba steht immer ein wenig im Schatten des Sherry-Gebiets. Dabei ist der berühmte Weinstil Amontillado sogar nach einem seiner Orte benannt: Das zusammengesetzte Substantiv „A-Montilla-Do“ bedeutet übersetzt „im Stil von Montilla“. Und eben in dieser Kleinstadt, rund 40 Kilometer südlich von Córdoba, besuchte ich kürzlich das Weingut Pérez Barquero. Die Visite wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Willkommen bei Pérez Barquero
Willkommen bei Pérez Barquero

Montilla vs. Jerez – Same, but different

Pérez Barquero ist ein klangvoller Name, der weit über die Grenzen Spaniens hinaus hallt. Die Finos, Amontillados, Palo Cortados und Olorosos der Marke Gran Barquero genießen Kultstatus. Die im Jahr 1905 gegründete Bodega befindet sich seit 1985 im Besitz der Familien Cordoba, Ruz und Gracia, die aus der Region stammen. Bei meinem Besuch werde ich von Adela Cordoba Ruz empfangen, und wir fahren zunächst in die Sierra de Montilla zur Weinlage Pago de Benavente Alto. 

Adela Cordoba Ruz vor alten PX-Reben
Adela Cordoba Ruz vor alten PX-Reben in Buscherziehung und jüngeren Reben im Spalier. Das Gebäude im Hintergrund ist der Lagar La Cañada.

In der hügeligen Gegend liegen die Weinberge auf über 500 Metern Höhe. Wie in der Sherry-Region herrschen hier die weißen Albariza-Böden vor. Sie sind stark kalkhaltig und verfügen über eine hervorragende Wasserspeicherkapazität. Das Klima in der Sierra de Montilla unterscheidet sich jedoch von dem in Jerez deutlich. Aufgrund der Geographie – weiter im Landesinneren und höher gelegen – ist es kontinentaler. Die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sowie zwischen Winter und Sommer sind daher deutlich größer als in der Sherry-Region am Atlantik. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass die Florhefeschicht bei der Fino-Herstellung in Montilla zeitweise nicht ganz so dick ist wie im Sherry-Dreieck, etwa im feucht-warmen Klima von Sanlúcar de Barrameda. In Montilla wird die Florhefe im Winter und Sommer wegen der Kälte bzw. der Hitze in den Kellern dünner, erzählt Adela Cordoba Ruz.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die Rebsorte. In Montilla-Moriles wird zu über 90 Prozent die weiße Rebsorte Pedro Ximénez (PX) angebaut, während in Jerez eindeutig der Palomino Fino dominiert. Der PX erreicht in Montilla-Moriles auf natürliche Weise einen Alkoholgehalt von etwa 15 Prozent, den optimalen Wert für die Bildung und Erhaltung der Florhefe. Deshalb werden die Finos in Montilla auch nicht gespritet – im Gegensatz zu Jerez, wo der Palomino meist nur 12 bis 13 Prozent erreicht. Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es also auch feine Unterschiede zwischen den Regionen.

Im Lagar La Cañada. Die Betonamphoren fassen 6.000 Liter und sind 4,5 Meter tief.
Im Lagar La Cañada. Die Betonamphoren fassen 6.000 Liter und sind 4,5 Meter tief.

80 Jahre alte Betonamphoren

Die Nuancen zwischen den beiden traditionsreichen Weinbaugebieten machen auch vor der Weinbereitung nicht halt, wie ich bei einem Besuch im „Lagar La Cañada“ feststelle. Ein „Lagar“ ist vereinfacht gesagt ein Haus im Weinberg, in dem die gelesenen Trauben sofort zu Wein vergoren werden. Früher wurden die Lagares auch bewohnt. Der erzeugte Weißwein wurde dann in die nächste Stadt transportiert und in den dortigen Kellern als Fino, Amontillado, etc. ausgebaut. Heute findet man diese Lagares noch in Jerez, Málaga und Córdoba, allerdings weit weniger als im 19. und 20. Jahrhundert. 

Die Differenzierung in Montilla-Moriles besteht jedenfalls darin, dass die Weinbereitung auch in Betonamphoren erfolgt. Die Amphoren in den Kellern von Pérez Barquero sind rund 80 Jahre alt. Sie fassen 6.000 Liter und sind 4,5 Meter tief. Sie wurden seinerzeit direkt in den Keller hineingebaut. Heute vergärt die Bodega die Weine zunächst im Edelstahltank, bis etwa 14,5 Grad Alkohol erreicht sind. Dann wird der Wein in die Betonamphoren umgefüllt, wo er zu Ende gärt und über ein Jahr verbleibt. In dieser Zeit bildet sich bei den als Fino und Amontillado vorgesehenen Weinen bereits die Florhefeschicht. Im letzten Schritt wird der Wein – wie in Jerez – in 500 bis 600 Liter fassenden Holzfässern (Botas) im dynamischen Solera-System ausgebaut. Den Zwischenschritt mit den Betonamphoren gibt es in Jerez allerdings nicht.

Fass bei Pérez Barquero
Der bekannte spanische Weinkritiker Victor de la Serna schreibt sinngemäß: „Wer noch nie in Montilla war, weiß nichts über die Vinos Generosos.“

Das Tasting: Weißwein und Vinos de Pasto

Einer der spannendsten Trends, die das Weinland Spanien derzeit zu bieten hat, sind die sogenannten Vino de Pasto aus der Sherry-Region und aus Montilla-Moriles. Dabei handelt es sich um Weißweine, die den Grundweinen für die Sherry-Herstellung ähneln. Häufig verwenden die Winzer den feineren Vorlaufmost wie bei der Fino-Produktion. Die Vino de Pasto reifen teils ohne, teils relativ kurz auf der Florhefe. Sie werden auch nicht gespritet, sind daher leichter und zugänglicher als die klassischen Finos, enthalten aber auch einige ihrer typischen Aromen, etwa von leicht bitteren Mandelschalen und verschrumpelten Äpfeln, wenn auch in dezenterer Form. Man kann also sagen, dass sie die andalusische Tradition mit einem zeitgemäßen Geschmack verbinden.

Mit dem Fresquito Tinaja (Ausbau in Betonamphoren und einige Monate unter Florhefe) sowie dem Fresquito Vino de Pasto (Ausbau in Betonamphoren und Holzfässern, etwa 20 Monate unter Florhefe) hat auch Pérez Barquero zwei solche Weine im Portfolio. Ich trinke sie gerne zu Hause und verwende sie oft bei Verkostungen, die ich moderiere, weil ich den Teilnehmern so einen typisch andalusischen Wein vorstellen kann, ohne dass zwei Drittel ihn ablehnen (wie es bei den staubtrockenen Finos oft der Fall ist). 

Außerdem probierten wir mit Adela den Finca La Cañada 2022. Das ist kein Vino de Pasto, sondern ein klassischer Weißwein aus der Rebsorte Verdejo, der im Stahltank ausgebaut wurde. Er ist mineralisch, hat Grip am Gaumen und kostet im Handel tatsächlich nur sechs Euro. Ich kenne kaum einen Wein in dieser Preisklasse mit einer so guten Qualität. Er schmeckt nämlich nicht nur gut, sondern auch interessant. Einen Verdejo von Albariza-Böden gibt es meines Wissens nach auch kein zweites Mal.

Gran Barquero: Klangvolle spanische Weinmarke
Gran Barquero: Klangvolle spanische Weinmarke

Die Flaggschiff-Reihe Gran Barquero

Die Höhepunkte der Verkostung stellten aber freilich die sogenannten Vinos Generosos dar, also die langjährig gereiften Finos, Amontillados, Palo Cortados, Olorosos und PX. Schon die Weinlinie Gran Barquero setzt Maßstäbe. Der durchschnittlich zehn Jahre unter Flor gereifte „Gran Barquero Fino en Rama“ ist supersalzig und lang im Abgang und hinterlässt ein wundervolles frisches Mundgefühl. Jeweils 25 Jahre im Schnitt reifen der Gran Barquero Amontillado, Oloroso und Palo Cortado. Hochinteressant finde ich, dass selbst sie nicht gespritet sind. Durch die Verdunstung beim Jahrzehnte währenden Ausbau in den Holzfässern verstärkt sich der Wein von selbst auf rund 19 Prozent Alkohol. Einzig der süße PX wird bei Pérez Barquero gespritet.

Im Gegensatz dazu wird ein Amontillado in der Sherry-Region oft sogar zweimal mit Weingeist angereichert: Zuerst der Grundwein von etwa 12 auf 15 Prozent für die biologische Reifung unter Florhefe und nach einigen Jahren auf 18 bis 19 Prozent, um die Florhefe abzutöten, damit die oxidative Reifung stattfinden kann. Wenn ein Amontillado aber gar nicht mit Alkohol verstärkt wird und dazu viele Jahre reift, so wie bei Pérez Barquero, dann wirkt der Alkohol auch besser integriert und eingebunden. Das macht den Wein insgesamt feiner und eleganter. Klasse ist auch, dass die Gewächse der Gran Barquero-Serie trotz des langen Ausbaus erschwinglich sind, der Handelspreis liegt zwischen 12 Euro (Fino) und 39 Euro (Palo Cortado).

Zweimal Fino, zweimal nicht gespritet, zweimal salziger Abgang.
Zweimal Fino, zweimal nicht gespritet, zweimal salziger Abgang.

Weine, die die Zeit auf ihrer Seite haben

Die wirklichen Kracher sollten erst noch kommen: Die Jahresangabe bei der Weinserie 1955 Solera Cincuentario bezieht sich auf das 50-jährige Bestehen des Weinguts. Die im Solera ausgebauten Weine sind im Schnitt 40 bis 50 Jahre alt. Mit Adela probieren wir die gesamte Linie, also Amontillado, Palo Cortado, Oloroso und PX. Eine Flasche kostet jeweils über 200 Euro. Überragend sind der nussig-salzige Amontillado und der subtile Palo Cortado mit seiner polierten Textur und feinen Schärfe. Dass diese Weine superelegant, aromatisch komplex und lang sind, versteht sich von selbst.

Im Schnitt fast 50 Jahre alt. Ganz großes Kino.
Im Schnitt fast 50 Jahre alt. Ganz großes Kino.

Noch eine Stufe höher sind die Weine der Serie 1905 Solera Fundacional einzuordnen. Sie gehen tatsächlich auf das Gründungsjahr 1905 und die damals angelegten Soleras zurück. Wir verkosten den Oloroso und den PX. Im Schnitt sind sie fast 90 Jahre alt, der Preis pro Flasche liegt bei über 500 Euro. Vor allem der sinnlich-süße 1905 PX hat es mir angetan. Es ist schwer, diesen fesselnden Wein in Worte zu fassen. Mit seiner öligen Textur gleitet er elegant durch den Mund und bleibt unfassbar lang im Abgang. Dass er laut Datenblatt rund 500 Gramm Restzucker hat, spürt man überhaupt nicht. Er hat nichts Schweres an sich, sondern wirkt geradezu leicht. Vor allem steht er für absolute Harmonie und Balance. Die wenigen Kanten, die der 1955 PX vielleicht noch hatte, sind verschwunden. Die Zeit regelt bei diesen Weinen tatsächlich alles.

Aus dem ersten Solera von 1905. Im Schnitt rund 90 Jahre alt. Große Weine von Pérez Barquero
Aus dem ersten Solera von 1905. Im Schnitt rund 90 Jahre alt.

Überhaupt war es ein Tasting mit einem Höhepunkt nach dem anderen, das seinen krönenden Abschluss mit dem 100-jährigen Brandy Monte Cristo 100 fand.

Danach war mir klar: Den Vinos Generosos von Pérez Barquero, allen voran jenen der Reihe „1905 Solera Fundacional“ – aber auch denen der Weinserien „1955 Solera Cincuentaria“ und „Gran Barquero“ – liegt nicht nur ein einzigartiges Terroir und eine einzigartige Weinbereitung zu Grunde, sondern auch eine einzigartige Dimension von Zeit. Das macht diese Weine so typisch und unverwechselbar andalusisch.

Brandy-Fässer bei Pérez Barquero
Brandy-Fässer bei Pérez Barquero

Weitere Infos:

Alle Fotos: © Spaniens Weinwelten

Link zum Weingut: perezbarquero.com

Tipps für Cordoba: Anschließend fuhr ich mit der Familie weiter nach Cordoba. In dieser stimmungsvollen Stadt, die viel andalusisches Flair ausstrahlt, lässt es sich besonders schön in der Bodega Campos und im Casa Rubio essen und trinken.

Und hier, passend zu Pérez Barquero, eine musikalische Hommage an die Zeit:


1 Kommentar

  1. Interessantes über den „Perez Barquero 1905 Amontillado (Robert Parker: 100 Punkte)“

    Nur die im Januar 2016 durchgeführte Abfüllung mit der Nummerierung „B-xxxx“ des 1905er erhielt von Robert Parker am 28. April 2016 die begehrten 100 Punkte . Bei Parker wird diese Abfüllung auch „Lote B 2016“ genannt. Diese Flaschen verfügen über ein handsigniertes Original Echtheitszertifikat des Weingutes.

    Die vorhergehende im Jahr 2002 vorgenommene Füllung des 1905er wurde nummeriert mit „A-xxxx“ und erhielt von Parker ’nur‘ 99 Punkte. Im nachhinein wird die Abfüllung des Jahres 2002 daher auch „Lote A“ genannt.

    Hier sind die weltweit wohl letzten Flaschen des Perez Barquero 1905 Amontillado (Robert Parker: 100 Punkte) erhältlich:
    https://www.der-weinfleck.de/perez-barquero/

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