Der Spruch „Kleider machen Leute“ lässt sich bei Weinen nicht so leicht auf’s Etikett übertragen. Eine hübsche oder interessante Verpackung wird zwar auch beim Wein immer wichtiger, aber am Ende zählt dann doch, was drin ist in der Flasche und was hinter dem Inhalt steckt – der Winzer, die Art der Weinbereitung, die natürliche Umgebung, die Rebe, das Klima und der Boden. Um letztgenannten, also das Erdreich, dreht sich dieser Artikel.
Kalk und Tempranillo – ein gutes Paar
Manche Böden geben viel Ertrag, andere wenig. Manche Böden bringen leichte Weine hervor, andere kraftvolle. Ob Lehm, Sand, Kies, Kalk, Schiefer oder Granit – alle beeinflussen sie auf ihre Weise das Wachstum der Rebe und den Geschmack der Traube.
In Rioja Alta sind die Böden meist von Kalk geprägt (Foto: Dpto. Multimedia / © ICEX).
Mit die größten Weine der Welt entstammen kalkgeprägten Lagen. Warum ist das so? Kalkstein und durch frühzeitliche Meeresbewohner gebildeter Muschelkalk verwittern unter Einfluss von Regenwasser. Als Bodenbestandteile bleiben Ton- und Sandrückstände zurück. Der ausgelöste Kalk wird dabei zu Kalziumcarbonat, das mit organischen Säuren im Boden reagiert. Der Boden erhält auf diese Weise eine hohe Alkalinität und einen tendenziell hohen natürlichen ph-Wert.
Kalziumcarbonat gilt als einer der wichtigsten Bodenbestandteile für die Weinqualität. Die durch Karbonatlösungen hervorgerufene Bodenstruktur kann zum einen gut Wasser speichern, zum anderen fördern alkalische Bodenverhältnisse die Versorgung der Rebe mit mineralischen Nährstoffen. Diese sind wichtig für die Gesundheit der Pflanze und hinterlassen ferner die „mineralischen Noten“ im Wein.
Es gibt ganz unterschiedliche Kalkböden. Sie kommen in der Regel ja nicht in Reinheit vor, sondern in Kombination mit anderen Gesteinen. Deshalb ist es auch mit Vorsicht zu genießen DEN Weintyp für Kalk zu beschreiben. Und selbst wenn zwei Weine auf dem selben Boden nur wenige hundert Meter voneinander entfernt wachsen, so schmecken sie oft völlig unterschiedlich. Das Geheimnis des Weins geht tiefer, als dass man es bis ins Letzte entschlüsseln könnte. Dennoch will ich im Folgenden komprimiert weitergeben, was fachkundige Quellen vom Kalk so sagen.
Kalkhaltig sind auch die Böden in der D.O. Ribera del Duero (Foto: Pablo Neuhaus / © ICEX).
Neben dem mineralischen Eindruck hinterlassen kalkige Böden oft auch einen samtigen und weichen Gesamteindruck. So entstehen Weine von großer Tiefe und Harmonie. Von „Eleganz, Finesse und Komplexität“ spricht der Weinkritiker José Penin in Bezug auf Weine mit hohem Kalkeinfluss.
Eine Rebe, die besonders gut mit Kalk harmoniert, ist Tempranillo. Rebsortenforscher haben herausgefunden, dass ihr Ursprung im heutigen Rioja liegt. Kalkhaltige Böden sind in Rioja Alavesa und Rioja Alta viel vorhanden. Mit die besten und bedeutendsten spanischen Weine kommen von hier. Auch die zweite berühmte Tempranillo-Region Spaniens, Ribera del Duero, verfügt über Böden mit hohem Kalkanteil. Hier hat sich der Fluss Duero über Jahrtausende in die Hochebene eingegraben und an den dabei entstehenden Hängen kalkige Erde freigelegt.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Weinregionen, deren Böden sich aus Caliza – so der spanische Name – zusammensetzen. Weniger bekannt ist zum Beispiel die D.O. Cigales im Norden von Kastilien-León. Die Bodenstruktur besteht hier aus dicken Kiesbrocken an der Oberschicht und darunter liegenden kalkhaltigen Böden und Kalkfelsen. Auch hier entstehen prächtige Tempranillo-Rotweine. Deshalb kommt meine heutige Weinempfehlung von dort:
Bodegas César Príncipe, 13 Cánteros Nicolás, 2014: Ein Tempranillo mit Feinheit und Geschmackstiefe, mit Eleganz und etwas Pfeffer.
Weißer Albariza-Boden im Sherry-Gebiet rund um Jerez (Foto: Fernando Briones / © ICEX).
Eine besondere Verbindung von Kalk, Sand und Ton findet sich im Sherry-Gebiet um Jerez. Albariza heißen die feinen weißen Böden, die enorm wasserspeichernde Eigenschaften aufweisen. Im Winter wird von den Weinbauern der Boden aufgepflügt, damit das Regenwasser eindringen kann. Im Frühjahr dann wieder „zugeklappt“, damit in der Trockenphase von Mai bis September möglichst wenig Wasser in der andalusischen Hitze verdunsten kann. Die Wasserversorgung und der mineralische Gehalt der Albariza-Böden sind ein Grund, weshalb manche Sherrylagen als besonders wertvoll gelten.
Schiefer in Bierzo und Priorat
Ein besonders spannender Boden ist Schiefer. Wissen wir aus Deutschland: „Mosel, Schiefer, Riesling“ – das ist ein Dreiklang, der weit in die Weinwelt hinaus hallt. Doch schon im Anbau machen Schieferböden Mühe. Sie sind steinig und wenig ertragreich. Gelingen die Weine, so gehören sie allerdings zu den feinsten überhaupt. Häufig sind sie weniger von fruchtiger Fülle als von mineralischen Aromen geprägt. Ihre Feingliedrigkeit macht sie reizvoll. Selten schmecken Weine aus Schieferlagen unkompliziert, sie tragen oft ein Geheimnis mit sich.
Schiefriger Boden im katalanischen Priorat (Foto: Matías Costa / © ICEX).
In Spanien sind die bekanntesten Schieferregionen die D.O. Bierzo und die D.O.Ca Priorat. Dass Rotweine aus diesen zwei Anbaugebieten zur absoluten Spitzenliga gehören, dürfte unmittelbar mit dem Schiefer zu tun haben. Zumindest vermittelt der Guía Pénin, der führende spanische Weinguide, diese Auffassung. Auf das Priorat bezogen schrieb er schon vor über zehn Jahren: „Der Boden ist das Element, das die Region weltweit in die erste Reihe der Anbaugebiete katapultiert hat“. Die Weine des Priorat aus traditionellen Reben wie Garnacha und Cariñena sind zwar enorm dicht und mächtig, sie werden aber von mineralischen Aspekten des schiefrigen Bodens begleitet. Aromen von kalter Asche und geriebenem Stein sind häufige Folgen.
Das nordspanische Bierzo verfügt über recht verschiedene Bodenformationen, Schiefer ist eine davon. Fast alle bekannten Weine des Bierzo stammen aber von den oft bis 800 Meter hoch gelegenen alten Weinbergen auf grobem Schiefergestein. Hier ist es die autochthone Rebsorte Mencía, die fein strukturierte Weine entstehen lässt. Besonders das Spiel zwischen Frucht der Mencía-Traube und mineralischen Aspekten des Schiefers macht sie einzigartig.
Die besten Weine der D.O. Bierzo entstammen Schieferböden (Foto: Juan Manuel Sanz / © ICEX).
Auch in weniger bekannten Gebieten wie die Axarquia (D.O. Sierras de Málaga) sowie in Teilen Teneriffas und in einigen Gegenden Kataloniens machen Schieferböden einen nicht unbedeutenden Teil des Terroirs aus. Meine Empfehlung für einen „Schiefer-Wein“ kommt aus der Contraviesa-Alpujarra (D.O.P. Granada):
Bodega Los Barrancos, Cerro de la Retama, 2015: Seine Reben wachsen im südlichen Andalusien auf 1300 m Höhe und auf Schieferböden. Der Wein ist konzentriert und von großer Fülle und zugleich elegant, mineralisch und mit saftiger Säure ausgestattet.
Galizien und Granit
Mischen tut sich der Schiefer in einigen Lagen in Galizien mit Granitgestein. Das trifft insbesondere auf die etwas landeinwärts gelegenen Anbaugebiete D.O. Ribeira Sacra, D.O. Ribeiro und D.O. Valdeorras zu. Das Zusammenspiel von Schiefer und Granit ergibt Weine mit guter Säure und spektakulärer Mineralität. In Ribeira Sacra gilt das insbesondere für die filigranen Rotweine aus der Mencia-Rebe; in Ribeiro für Weine aus der weißen Sorte Treixadura und in Valdeorras für die Weißweine aus Godello.
Hanglage in der D.O. Ribeira Sacra, Galicien. Schiefer und Granit kommen hier oft gemischt vor (Foto: Fernando Briones / © ICEX).
Typisch für Granitböden ist ihr hoher Säuregehalt sowie ihre Eigenschaft, eine klare Mineralität und frische Säure an die Weine abzugeben. Weil Granit der bestimmende Untergrundfaktor in der D.O. Rías Baixas ist, verwundert es auch nicht, dass die dort entstehenden Weißweine aus der Albarino-Rebe ein bemerkenswertes Säuregerüst haben und zumeist über eine ausgeprägte Mineralität verfügen. Ganz besonders trifft diese Aussage auf folgenden Weintipp zu:
Bodegas Zarate – Euologio Pomares, Carralcoba 2015: Ein Albarino mit knackiger Säure und spektakulärer Mineralität. Feinnervig, konzentriert und tief. Wächst auf Granitgestein mit hohem Glimmeranteil. Ausbau im Kastanienfuder.