Spanien ist ein Spitzen-Weißweinland. Dieser Fakt mag manche deutsche Weinliebhaber überraschen. Ich blicke heute auf Katalonien und die weiße Garnacha. Die Geschichte beginnt in Dresden. Nein, nicht die der weißen Garnacha, sondern dieses Artikels. In Dresden nämlich führen Martin Müller und Anna Gost das spanische Weingeschäft Vino & Alma. Der Laden ist liebevoll eingerichtet und in Sachen Wein ausgezeichnet sortiert. Ich habe Martin und Anna kürzlich auf einer Deutschlandreise getroffen. Die beiden erzählten mir, dass sie Weingüter vor Ort in Spanien besuchen und deren Weine direkt ohne Zwischenhändler nach Dresden importieren. Den Fokus legen sie dabei auf kleinere Produzenten und Familienweingüter.
Anna Gost und Martin Müller mit Garnacha Blancas aus Katalonien.
Anna und Martin gaben mir zum Abschied eine Box mit auf den Weg. Der Inhalt: Fünf Weißweine aus der Sorte Garnacha Blanca, erzeugt von drei Weingütern aus den drei katalanischen Anbaugebieten Terra Alta, Montsant und Priorat. Der Grund: Ich wollte auf diesem Blog schon immer mal einen Beitrag zur jener Rebsorte verfassen, und das Sortiment von Vino & Alma erschien mir zur Umsetzung dieses Vorhabens bestens geeignet. Also legen wir los!
Die weiße Garnacha und was sie ausmacht
Garnacha Blanca ist eine autochthone Sorte des nordöstlichen Spaniens, genauer dem Ebro-Tal und Kataloniens. Es wird vermutet die Rebe sei eine Mutation der ebenfalls aus dieser Region stammenden Rotweinsorte Garnacha Tinta. Von Spanien aus verbreitete sich die weiße Garnacha im Mittelmeerraum, vor allem nach Südfrankreich, wo sie unter dem Namen Grenache blanc firmiert. In Spanien spielt die Traube unter den Weißweinsorten mengenmäßig nur die zweite Geige – gerade einmal 2500 Hektar sind im Anbau, größtenteils in Katalonien. Die rote Mutterrebe kommt im Vergleich landesweit auf über 80.000 Hektar Rebfläche. Und dennoch: Die weiße Garnacha zeigt ein enormes Potenzial für große Weine, weshalb sich vor allem katalanische Winzer der Sorte verstärkt zuwenden.
Trauben der weißen Garnacha, bei Celler Ametller im Priorat.
Oftmals bringt die Garnacha Blanca körperreiche Weißweine mit Aromen von gelber Frucht, Kräutern und Gewürzen hervor. Dank eines hohen Extrakts erscheinen die Weine am Gaumen nicht selten cremig. Die Säure fällt im Vergleich zu anderen spanischen Weißweinsorten wie Albariño oder Verdejo eher niedrig aus. Dies ist aber nur eine Tendenz und keine absolute Regel, denn im Paket von Vino & Alma befanden sich auch Weine mit einer äußerst lebhaften Säure, womit wir bei Herència Altés und in der DO Terra Alta angekommen sind.
Herència Altés in Terra Alta
Terra Alta stellt die Hochburg der Garnacha Blanca dar. Ein Drittel der weltweit angebauten weißen Garnacha stammt aus eben diesem Anbaugebiet. In jener südlichsten DO-Region Kataloniens findet die Rebsorte ein mediterranes Klima mit kontinentalem Einfluss sowie die für Terra Alta typischen Kalkböden vor. Oftmals sind sie mit einem hohen Lehmanteil durchsetzt. Eine weitere Besonderheit sind zwei Winde, die auf das Weingebiet einwirken: Der „Cerc“ genannte Nordwind aus den Pyrenäen bringt Kälte und sorgt für eine gute natürliche Säurebildung in den Beeren. Der milde und warme „Garbi“ weht vom Mittelmeer landeinwärts und lässt die Trauben schön ausreifen. Winde schützen zudem vor Schädlingsbefall und Krankheiten – zumindest in der Pflanzenwelt ist das so.
Ein junges Weingut, das es in den vergangenen Jahren zu beeindruckender Größe und Reputation gebracht hat, ist Herència Altés. Eigentümerin Nuria Altés entstammt einer Winzerfamilie aus der Region und begann im Jahr 2010 eigene Weine zu keltern. Das Projekt ist von Beginn an ambitioniert gedacht, dies zeigen allein die 60 Hektar bewirtschaftete Weinberge sowie eine nagelneue, architektonisch anspruchsvolle Weinkellerei, die überwiegend unterirdisch gebaut ist, um das reizvolle Landschaftsbild nicht zu dominieren.
Weingut Herència Altés in der DO Terra Alta.
Seit diesem Jahr sind die Weine von Herència Altés biozertifiziert. Neben der weißen Hauptsorte Garnacha Blanca sind außerdem die roten Trauben Garnacha Negra (im Rest Spaniens Garnacha Tinta genannt) und die seltene Garnacha Peluda im Anbau. Sie sehen – Terra Alta ist so etwas wie „Garnacha County“. Nun ja, ein bisschen dürfen Syrah und Cariñena auch noch mitspielen.
Um dem Terroir entsprechenden Ausdruck zu geben, werden bei Herència Altés die Weine spontan vergoren. Spontanvergärung bedeutet, dass bei der alkoholischen Gärung keine Reinzuchthefen zum Einsatz kommen. Oftmals steuern diese Zuchthefen in eine bestimmte Geschmacksrichtung, sie können einen Wein zum Beispiel fruchtiger oder blumiger machen. Eine Spontanvergärung ergibt sich stattdessen aus natürlich vorkommenden Hefestämmen, die sich auf den Beerenhäuten und im Keller befinden. Die Gärung und daraus resultierende Aromen werden also einem natürlichen Prozess überlassen.
Weinberg von Herència Altés, im Hintergrund die Weinkellerei.
Zwei sortenreine Garnacha Blanca von Herència Altés habe ich von Martin und Anna erhalten. Beide sind fantastisch und überzeugen mich vollauf. Bereits der günstige Einstiegswein „Garnatxa Blanca 2016“ kommt mit seiner lebhaften Säure äußerst frisch und saftig daher. Seine Trauben, so informiert das Weingut, werden punktgenau geerntet, noch bevor sie an natürlicher Säure verlieren. Dazu zeigt der Wein Aromen von Rhabarber, und zwei Monate Ausbau auf der Feinhefe geben ihm etwas Schmelz mit an den Körper. Für 6,90 Euro ist dieser Tropfen bei Vino & Alma zu haben, das ist ein unverschämt gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Ein nochmals vollmundigeres Kaliber ist der „La Serra Blanc 2015“. La Serra ist der Name einer um 1900 gepflanzten Weinlage. Die Erträge aus den über 100 Jahre alten Rebstöcken liegen nach Auskunft des Weinguts bei weniger als 1000 kg je Hektar und sind somit bis um das Fünffache niedriger als im üblichen spanischen Qualitätsweinbau.
Dafür ergeben so alte und tief wurzelnde Rebstöcke beste Qualitäten, was hier eindrucksvoll zum Ausdruck kommt: Reife Frucht, cremige Textur und feine Säure sind nur drei Stichworte, die den La Serra Blanc jedoch bei weitem nicht hinreichend beschreiben. Da wären ferner die Mineralitat und eine komplexe Aromatik von Kräutern und Gewürzen zu nennen, die sich im Bukett und am Gaumen entfalten. Der 10-monatige Ausbau im Holzfuder (1500 Liter) und die damit verbundene dosierte Sauerstoffzufuhr tun ihr übriges, um diesen Wein gehaltvoll, lang und wunderbar ausbalanciert erscheinen zu lassen.
Celler Masroig in Montsant
Große Weine kommen aus dem kleinen Montsant. Weniger als 2.000 Hektar Rebland gehören zu dieser DO-Appellation, die das weltbekannte Anbaugebiet Priorat ringförmig umschließt. Wer also ins Priorat will, muss durch Montsant und sollte dort unbedingt einen Stopp einlegen, zum Beispiel wie wir nun im Weingut Celler Masroig in der gleichnamigen Ortschaft Masroig.
Der erste von mir verkostete Weißwein „Solà Fred Blanc 2017“ ist eine Cuvée aus Garnacha Blanca und Macabeo. Er duftet fruchtig, ein bisschen exotisch nach Mango und offenbart florale Noten. Am Gaumen schmeckt er ausgewogen und dank präsenter Säure angenehm frisch. Ein klarer, geradliniger Weißwein, im Stahltank ausgebaut. Gemessen am Preis von 6,90 Euro ist dies eine beachtliche Qualität.
Bei Celler Masroig in der DO Montsant
Zu 100% aus Garnacha Blanca ist der „Pinyeres Blanc 2017“, der mir noch besser gefällt. Ein üppiges Bukett aus reifen Äpfeln und etwas Birne tut sich auf. Mineralität, Schmelz und das lange Finish sorgen vollends dafür, dass man diesen Weißwein als komplex bezeichnen darf. Der Pinyeres Blanc wird ebenfalls im Stahltank ausgebaut und außerdem für drei Monate auf der Feinhefe belassen.
Da ich in diesem Artikel bereits ein paar Mal vom „Ausbau auf der Feinhefe“ gesprochen habe (und noch werde), eine kurze Erklärung, was das überhaupt ist. Wenn Sie es schon wissen, überspringen Sie den folgenden Absatz samt Foto einfach.
Mit Ausbau auf der Feinhefe ist folgender Prozess der Weinbereitung gemeint: Nach der alkoholischen Gärung setzen sich die abgestorbenen Hefen am Boden des Gärbehältnisses ab. Dieser Hefebodensatz ist übrigens eine ziemlich dicke, schlammig anmutende Schicht, wie man am Foto unten erkennen kann. Nun erfolgt der erste Abstich, das heißt der Wein wird in einen anderen Tank oder ein anderes Fass umgefüllt und dabei vom Hefebodensatz getrennt. Bei diesem ersten Abstich verbleiben jedoch Hefereste im Wein, die als Feinhefe bezeichnet werden. Werden Weißweine nun für mehrere Monate auf dieser Feinhefe „gelagert“, erhalten sie tendenziell eine cremigere Textur und aromatische Komplexität. Im Spanischen nennt sich die Methode „Sobre lias finas“, ein Zusatz, der auf Weißweinetiketten öfter zu lesen ist. Außerdem gibt es noch das „Lager auf der Vollhefe“, ein Verfahren, bei dem der Wein erstmal nicht abgestochen wird, sondern im Gärtank für eine bestimmte Zeit auf dem Hefebodensatz (Vollhefe bzw. Grobhefe genannt) liegen bleibt.
Hefebodensatz, der nach dem ersten Abstich im Tank zurückbleibt
Schulstunde beendet, zurück zu Celler Masroig. Mit einer über 100-jährigen Geschichte gehört das Weingut zu den traditionsreichsten Erzeugern im Montsant. Die kleine Appellation verfügt über eine beeindruckende Vielfalt an Böden, in den Weinbergen von Celler Masroig ist es vor allem eine feine rotbraune Erde mit hohem Lehmanteil, auf der die Reben wachsen. Stolze 500 Hektar werden von Celler Masroig bewirtschaftet, nicht allein Weinberge, sondern auch Olivenhaine mit entsprechendem Öl als Endprodukt.
Lehmhaltiger Boden in einem Weinberg von Celler Masroig, DO Montsant.
Celler Ametller im Priorat
Nun, wo wir schon im Montsant sind, müssen wir freilich auch ins Priorat. Obwohl beide Weingebiete direkt angrenzende Nachbarn sind, ist das Terroir verschieden. So wartet das Priorat mit einer schroffen Berglandschaft auf und ist ferner für seine Schieferböden bekannt, die den Weinen eine besondere Mineralität verleihen. Ich besuchte das Priorat 2011, das ist schon eine Weile her, und damals war ich verblüfft wie auf derart kargen Felsböden überhaupt etwas wachsen kann. Weinreben sind unglaublich zäh, sobald sie es erst einmal ins Erwachsenenalter geschafft haben.
Das Weingut Celler Ametller, von Joan Ametller 2003 gegründet, befindet sich abgelegen im Schutz der Montsant-Berge auf rund 700 m Höhe. Die recht beachtliche Höhenlage wirkt sich positiv auf den Reifezyklus der Trauben aus: Im mediterranen Sommer fahren die Reben in den kühleren Nächten ihre Zuckerproduktion herunter und bilden anstelle Säure und Tannine heraus. Kühle Nächte konservieren die Säure in Beeren ebenfalls besser. Der Weinmacher erhält so ein Lesegut mit einer guten Frucht-Säure-Balance.
Es sind eben nicht einzig die Eigenschaften einer Rebsorte, die sie säurearm oder säurebetont sein lassen (die weiße Garnacha gilt gemeinhin ja als eher säurearm), sondern auch äußere Umstände wie Böden, kühlende Winde und Höhenlagen, die zu mehr oder weniger Säure beitragen.
In der DOC Priorat wird der Weinbau von roten Reben wie Garnacha Tinta und Cariñena eindeutig bestimmt. Weißweine sind eher selten, aber wenn, dann stammen sie zumeist aus der Garnacha Blanca. Aufgrund ihres insgesamt reichen Körpers eignet sich die Weißweinsorte mitunter zum Ausbau in Barriquefässern. Filigrane, leichte Weißweine werden vom Aufenthalt im Holzfass schnell mal erdrückt. Bei der Garnacha Blanca hingegen kann der Holzeinsatz dem kräftigen Körper einen Feinschliff geben und den Wein abrunden.
Dies zeigt sich beispielhaft am „Clos Mustardo 2014“ von Celler Ametller. Der Most wird bereits im kleinen Barriquefass vergoren und danach für weitere vier Monate im Eichenfass auf der Feinhefe ausgebaut. Kraftvoll, fast mächtig kommt der Wein daher, mit einer cremigen, fast buttrigen Textur. Die gute Säure und Mineralität sorgen dafür, dass Intensität und Eleganz in diesem Wein sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern vermählen. Ein langes Finish hat er dazu. Die Garnacha Blanca, das zeigt der Clos Mustardo 2014 eindrucksvoll, verträgt also auch Holz und zeigt im Gesamtbild der fünf in diesem Artikel vorgestellten Weine ein äußerst vielseitiges und interessantes Auftreten.
Garnacha Blanca-Parzelle bei Celler Ametller.
Weitere Infos:
Bezug: Öfters schreibe ich auf diesem Blog über spanische Weingüter, deren Weine in Deutschland leider nicht oder nur schwer zu beziehen sind. Im heutigen Fall ist das anders. Ich bedanke mich bei Anna Gost und Martin Müller für die kostenlosen Weinmuster und kann Lesern und Leserinnen eigentlich nur empfehlen, den ein oder anderen Garnacha Blanca aus Katalonien selbst einmal zu probieren. Hier die Links zum Online-Shop von Vinos & Alma und deren Angebot von Herència Altés und Celler Masroig und Celler Ametller.
Bildnachweis: Die Fotos (chronologisch) 2-6 und 8-10 in diesem Beitrag wurden ebenfalls von Vino & Alma zur Verfügung gestellt. Vielen Dank auch hierfür. Die Urheberrechte liegen beim jeweiligen Weingut.