Elf Weine müsst ihr sein!

Elf Weine

Der Sommer hat nur bedingt Freude gemacht. Ein bisschen war ich in Spanien unterwegs und habe Weingüter besucht. Aber Corona wabert ständig im Hintergrund. Besonders auf Reisen und in netter Gesellschaft kann man sich nie so ganz davon lösen. Mir ergeht es zumindest so. Dazu war der August in den Bergen von Granada selbst für andalusische Maßstäbe ungewöhnlich heiß. Raus aus dem Haus gehen, war eigentlich erst am späten Abend möglich und der Monat kam mir elend lang vor.

In Sachen Weingenuss war der Sommer besser. Wenn ich so auf meine leere Flaschensammlung blicke, dann denke ich, dass ich a) wieder einmal aufräumen sollte und b) über viele exzellente Weine in all meinen Blogs noch kein einziges Wort verloren habe. Wenigstens elf dieser Gewächse will ich nun vorstellen. Meine Auswahl beruht auf Preis (bis max. 25 Euro), Persönlichkeit und Trinkspass. Die folgenden Weine machen wirklich Lust. Für den Herbst und Winter kann ich sie wärmstens empfehlen, selbst wenn die Kollektion mehr Weiß- als Rotweine beinhaltet.

Persönlich unterscheide ich nämlich nicht in Sommer- und Winterweine. Ich mag Rot, Weiß, Rosé und Orange unabhängig von der Jahreszeit. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass sich meine bzw. die Essgewohnheiten in unserer Familie nicht so grundlegend ändern: Einige unserer Lieblingsgerichte wie Tintenfisch nach galicischer Art (Pulpo a la gallega), Risotto, Pizza, Wiener Schnitzel und Tapas-Klassiker wie frittierte Sardellen (Boquerones) und Fleischbällchen (Albondigas) kommen bei uns zuhause zu jeder Saison auf den Tisch. Und zu all diesen Speisen passen diese Weine.

2019 Vayuste – Esmeralda Garcia, Arenas de SantyusteSegovia

„Verdejo ganz anders“, schreibt Felix Bodmann auf seinem Schnutentunker-Blog über die Weine von Esmeralda Garcia. Das kann man gewiss so sagen. Das (Image-)Problem der Verdejo liegt nicht an den Eigenschaften der Traube, sondern dass sie in der D.O. Rueda größtenteils einer industriellen Massenproduktion ausgesetzt ist. Außerdem hält der Kontrollrat die D.O.-Mitglieder dazu an, einen wiedererkennbaren Rueda-Stil zu keltern, mit dem sie zugegeben hohe Marktanteile und Verkäufe erzielen (es ist die mit Abstand erfolgreichste Weißweinregion Spaniens). Im Resultat wirken deshalb so einige Verdejos aus Rueda gefällig, beliebig und austauschbar. Häufig fehlt es ihnen an Individualität und Charakter.

All das kehrt Esmeralda Garcia um: Ihre Verdejos aus Einzellagen haben sehr viel Charakter und Persönlichkeit. Die Winzerin arbeitet handwerklich und ihre teils über 200 (!) Jahre alten Reben ergeben niedrigste Erträge. Das ist „Rueda auf den Kopf gestellt“, um es in eigenen und anderen Worten als Felix Bodmann zu sagen. Folglich erzeugt Esmeralda Garcia ihre Naturweine außerhalb des Reglements der D.O. Rueda. Ihre Lagenweine aus Weinbergen in über 800 Metern Höhe und mit zumeist sandigen Böden sind wahrlich interessant und facettenreich: mal freaky, mal knackig und mal äußerst elegant und druckvoll wie der 2019 Vayuste.

Vayuste. Esmeralda García.
2019 Vayuste. Verdejo, Segovia, Rueda

2018 Garcia Viadero Blanco de Albillo – ValdueroV.T. Castilla y León

Albillo Mayor ist eine autochthone weiße Rebsorte Spaniens, die vergangenes Jahr in der berühmten D.O. Ribera del Duero für den Anbau zugelassen wurde. Aus der Appellation kommen künftig also nicht mehr allein Rotweine aus Tempranillo (Tinto Fino), sondern ebenfalls Weißweine aus Albillo Mayor.

Das Weingut Valduero befindet sich zwar in Ribera del Duero, bringt seine Gewächse aber mit der Herkunftsbezeichnung V.T. Castilla y León auf den Markt. Es handelt sich übrigens um das Lieblingsweingut von Marc Knopfler von den Dire Straits. Auch mir gefällt dieser Weißwein – dessen Reben auf 870 Metern Meereshöhe wachsen – ausgezeichnet. Er ist mineralisch und mit cremiger Textur. Das wirkt nobel und ist hervorragend balanciert. Albillo Mayor gilt als neutrale Rebsorte, das heißt die Traube bringt relativ wenig Eigengeschmack mit. Entsprechend nehme ich kaum Frucht wahr, wenn überhaupt, dann Zitrus. Dafür har der Wein ein brillantes Mundgefühl.

Garcia Viadero Blanco de Albillo. Valduero.
Albillo Mayor, V.T. Castilla y Léon

2019 Reto – Bodegas PonceD.O. Manchuela

Aus der seltenen Traube Albilla ist dieser fantastische Weißwein gekeltert. Der Name mag ähnlich sein, jedoch ist die Sorte weder mit der zuvor genannten Albillo Mayor, noch mit der Albillo Real, wie wir sie zum Beispiel aus der Sierra de Gredos kennen, verwandt.

Bodegas Ponce blickt auf vier Generationen Weinbau. Früher verkauften sie die Trauben an große Genossenschaften im Manchuela-Gebiet, ehe Juan Antonio Ponce das Weingut im Jahr 2005 gründete. Inzwischen werden 20 Hektar Rebland biodynamisch bewirtschaftet. Vor allem sind es alte Bobal-Reben, und was Ponce daraus macht, sind nicht mehr und nicht weniger als die besten Bobals Spaniens. Ebenfalls sind die Rotweine aus der autochthonen Sorte Moravia Agria schlichtweg beeindruckend.

Der 2019 Reto kommt salzig-mineralisch, straff, präzise und zwingend daher. Er wirkt geradezu puristisch und auf das Wesentliche reduziert – und dies trotz Holzausbau. Da ist nichts Übertriebenes zu spüren. Dass der Wein beinahe minimalistisch wirkt, liegt sicher auch am jungen Jahrgang. Es wird spannend zu sehen sein, wie er sich mit der Zeit entwickelt. Bereits jetzt ist er Top-Klasse.

Reto, Ponce
Albilla, D.O. Manchuela

2018 Trossos Sants Garnatxa Blanca – Alfredo ArribasD.O. Montsant

Katalonien war einer der regionalen Schwerpunkte meiner Sommerdegustationen. Entsprechend hatte ich es mit recht vielen Weißweinen aus der autochthonen Rebsorte Garnacha Blanca – bzw. Garnatxa wie die Katalanen schreiben – zu tun. Die Traube kann manchmal etwas üppig ausfallen, aber auf diesen Weißwein trifft das gar nicht zu. Er hat eine cremige Textur, ist sehr gut balanciert und zeigt eine saftige Frische. Mir hat dieser aromatische Wein ausgesprochen gut gefallen.

Alfredo Arribas ist ein Architekt aus Barcelona mit Weinprojekten in Priorat und Montsant. Der 2018 Trossos Sants stammt aus vierzig bis sechzig Jahre alten Reben auf Granitsandböden. Die D.O. Montsant ist eigentlich geprägt von Kalk- und Lehmböden, doch die Bodenvielfalt im Gebiet ist beeindruckend. Das Gewächs wird teils in großen Holzfudern, teils in Stahltanks ausgebaut. Die Trauben werden zum Teil abgebeert und zum Teil als Ganzes mit den Stielen vergoren.

Trossos Sants, Alfredo Arribas
Garnacha Blanca, D.O. Montsant

2017 Godello Viejo Sobre Lías – MengobaD.O. Bierzo

Für die Godello-Traube gilt Ähnliches, wie ich es vorhin zur Garnacha Blanca formulierte: Mitunter können die Weine einen Tick zu üppig und buttrig daherkommen. Zum Glück jedoch nicht alle: Diese hochfeine Goldello hat eine prima Struktur und Säure, dazu Tiefgang und Länge. Da passt die Balance aus Körper, Textur und Frische. Ich finde diesen Weißwein sehr elegant und überzeugend.

Winzer Grégory Pérez stammt aus dem Bordeaux, wo er das Weinmachen erlernte. Im Jahr 2007 hat es ihn für das eigene Projekt ins nordwestspanische Bierzo verschlagen. Auf über 600 Metern Meereshöhe kultiviert er autochthone Rebsorten wie Mencía, Garnacha Tintorera und Godello. Den 2017 Mengoba Godello Viejo Sobre Lias baut er zehn Monate auf der Feinhefe im 4000-Liter-Holzfuder aus.

Mengoba Godello, Mengoba
Godello, D.O. Bierzo

2018 Komokabras Barrica – Adega EntreosriosV.T. Barbanza e Iria

Ein sortenreiner Albariño, der nicht aus Rías Baixas kommt. Neben den bekannten D.O.-Gebieten wie eben Rías Baixas, Ribeira Sacra und Valdeorras gibt es in Galicien ferner kaum beachtete Landweingebiete: Aus der V.T. Barbanza e Iria stammt dieser Weißwein. 

Das kleine Familienweingut Entre Os Rios befindet sich sechzig Kilometer südwestlich von Santiago de Compostela auf einer Landzunge und nur zwei Kilometer vom Atlantik entfernt. Es herrschen ähnliche Bedingungen wie in Rias Baixas, das heißt ein hohes Regenaufkommen und ein insgesamt feuchtes atlantisches Klima prägen den Weinbau. Deshalb werden die Reben hoch überm Boden in Laubenerziehung gehalten. 

Die Weinetiketten der Komokabras-Reihe sind recht auffällig und einprägsam. Auf spanischen Blogs, denen ich folge, habe ich öfters Fotos davon gesehen. Also dachte ich, hol dir ein paar Flaschen rein. Und was ich dann bekam, ist wirklich klasse und hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Dieser Albariño ist neun Monate in gebrauchten Fässern ausgebaut: Das Holz ist prima eingebunden und geschmacklich nicht spürbar, und es gibt dem Wein viel Struktur und cremige Vollmundigkeit. Das ist tiptop sauber, frisch und elegant. Wirklich fabelhaft.

Komokabras Barrica, Entre Os Rios
Albariño, V.T. Barbanza e Iria

2018 Palo Blanco – EnvínateTeneriffa

Envínate sind Roberto Santana, Alfonso Torrente, Laura Ramos und José Martínez. Man muss ihre Namen wirklich einzeln erwähnen, denn die vier Freunde gehören zu den großen aufstrebenden Weinstars in Spanien. Sie haben sich beim Önologie-Studium in Alicante kennengelernt und danach als Envínate weitergemacht. Ihr heutiges Wirken erstreckt sich auf mehrere Appellationen: Einen Fokus setzen sie auf atlantische Weine in Ribeira Sacra und auf Teneriffa. Dazu haben sie Weinprojekte in der Extremadura und in der Levante. Ebenfalls werden Envínate gerne für Kollaborationen angeheuert, zum Beispiel mit Alvear im andalusischen Montilla-Moriles und mit Casa Castillo in Jumilla.

Der betont mineralische und superfrische 2018 Palo Blanco aus der Rebsorte Listán Blanco (in Andalusien: Palomino Fino) gehört sicher zu den zehn besten Weißweinen Spaniens. Das lässt sich ganz risikolos sagen: Der Wein erhielt eben erst 97 Parker-Punkte, und einen besseren Leumund wie den Kritiker Luis Gutierrez gibt es kaum, oder?

Palo Blanco, Envínate
Listán Blanco, Teneriffa

2018 La del Terreno – Julia CasadoD.O.P. Bullas

Julia Casado ist eine Weinmacherin aus der Region Murcia. Sie erzeugt Naturweine in der dortigen D.O.P. Bullas, ein Anbaugebiet das von Hochlagen mit über 800 m.ü.NN und einem großen Bestand an alten Monastrell-Reben geprägt ist. Verglichen mit der benachbarten Appellation Jumilla ist die Vegetation in Bullas aufgrund höherer Niederschläge grüner. Den Vergleich dürfen Sie jetzt bitte nicht falsch verstehen: Wir befinden uns in Südostspanien, und das Klima ist freilich heiß und trocken mit mediterranen und kontinentalen Einflüssen.

Der 2018 La del Terreno (deutsch: „die vom Land“) ist ein Rotwein mit Frische und Persönlichkeit. Ein solch saftig-frischer und süffiger Weinstil ist für Monastrell und das Bullas-Gebiet eher unüblich (ich habe die Region im Sommer 2018 besucht). Die Trauben kommen aus einem alten Weinberg, der neben Monastrell-Reben in Buscherziehung etwa fünf Prozent weiße Rebsorten enthält, die ebenfalls in diesem Wein enthalten sind.

La del Terreno, Julia Casado
Monastrell, D.O.P. Bullas

2018 Quinta Milú La Cometa – German R. BlancoD.O. Ribera del Duero

Es ist kein Naturgesetz, dass Rotweine aus Ribera del Duero schwere Kraftpakete sein müssen. Das zeigt unter anderem der Winzer German R. Blanco mit diesem schönen Wein. Die siebzig Jahre alten Tempranillo-Reben wachsen in Hochlagen auf 870 bis 910 Metern. Unter anderem deshalb dürfte das Gewächs so frisch und saftig sein. Ferner hat es einen prima Zug. Dies ist kein superkomplexer Rotwein, aber definitiv ein Wein mit Charakter, der mit 13,5 Prozent Alkohol für dieses Anbaugebiet fast schon leicht und wunderbar trinkig ist.

Quinta Milú La Cometa. German R. Blanco
Tempranillo, D.O. Ribera del Duero

2017 Las Jaras – Fuentes del SilencioV.T. Castilla y León

Fuentes del Silencio ist ein 2013 gegründetes Weingut im Valle de Jamuz (Jamuz-Tal) in der Provinz León. Die 25 Hektar Weinberge befinden sich auf 800 bis 900 Metern Meereshöhe, und dies Voraussetzungen mit sich, um Weine mit guter Säure zu erhalten.

Neben Rebsorten wie Mencía, Godello, Garnacha Tintorera und Doña Blanca – wie wir sie auch aus den Anbaugebieten Bierzo und Valdeorras kennen – kommt in diesem südlicheren Teil Leóns der roten Prieto Picudo eine wichtige Rolle zu. Die Traube ist etwa zu einem Drittel in dieser Cuvée aus Mencía (60%) und Garnacha Tintorera enthalten. Dies ist ein klassisch-eleganter Rotwein, klar und vielschichtig, mit insgesamt hervorragender Balance. 

Las Jaras, Fuentes del Silencio
Aus Mencía, Prieto Picudo und Garnacha Tintorera, V.T. Castilla y León

2016 El Esquilón – Suertes del MarquésD.O. Valle de la Orotava

Weine von den Kanarischen Inseln sind trendy. Und eins der angesagtesten Weingüter ist Suertes del Marqués auf Teneriffa. Erst 2006 gegründet, wird es von Jonatan García Lima betrieben. Im Besitz sind elf Hektar Rebland, die sich auf 21 Parzellen verteilen. Bestockt sind die Lagen mit autochthonen Rebsorten wie Listán Negro, Baboso Negro, Vijariego Negro und Listán Blanco.  

Der Rotwein El Esquilón stammt von einer über 100 Jahre alten Weinparzelle mit Listán Negro. Jonatan Garcías Vater hat das Grundstück, das auf 450 bis 550 Metern Höhe liegt, in den 1980ern erstanden. Das Lesegut wird in Zementtanks vergoren und in gebrauchten 500-l-Holzfässern ausgebaut. Im Resultat entsteht ein enorm frischer, tiefgründiger und origineller Rotwein, der trotz heller Farbe konzentriert und komplex ist. El Esquilón ist ziemlich großes Weinkino abseits der üblichen Geschmackmuster.

El Esquilón, Suertes del Marqués
Listán Negro, D.O. Valle de la Orotava

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