So sicher wie das Amen in der Kirche, so sehr kann man sich jeden Mai und Juni auf Rosétipps für den Sommer verlassen. Verlass ist außerdem darauf, dass die Gazetten die restlichen zehn Monate des Jahres einen Mantel des Schweigens über dieses Weingenre legen. Warum nur denken die Leute, dass man Rosé ausschließlich im Sommer trinken kann?
Der viel zu früh verstorbene Winzer Juan Palomar hat mir einmal gesagt, dass Rosé für ihn die Königsdisziplin im Weinmachen darstelle. Nichts sei schwieriger als einen guten Rosado hinzubekommen. Wobei die Frage, was einen guten Rosé ausmacht aus meiner Sicht nicht im Detail, sondern nur Allgemein zu beantworten ist. Für mich kommt es in erster Linie auf Frische, Balance und Persönlichkeit an! Das gilt übrigens für alle Weine – egal ob Rot, Orange, Weiß oder Rosé.
Persönlichkeit (bzw. Charakter) ist ein zugegeben vielseitiger und vieldeutiger Begriff. Ob ein Wein Charakter hat und wenn ja, welchen, lässt sich am besten mittels Praxistraining bestimmen. Jeder „Wine Lover“ sollte das selbst für sich herausfinden und definieren. Es gibt nämlich keine verbindliche Definition von gut und schlecht. Stattdessen ist Wein eine Übung in Aufgeschlossenheit: Es geht darum offen, neugierig und unvoreingenommen zu sein. Diesbezüglich ein negatives Beispiel: Teils erschrecke ich bei von mir moderierten Degustationen daran, wie viele Leute die Qualität eines Roséweins bereits an der Farbe beurteilen: Lachsfarben bedeutet für sie gut; ein kräftiges Orange oder Rot hingegen schlecht. Derartige Scheuklappen und Vorurteile finde ich bedauerlich, weil sie einem umfassenden Weingenuss im Wege stehen.
Bestimmte Charakterzüge – davon bin ich überzeugt – zeigen sich an der Einstellung einer Person zum Wein: Da gibt es beispielsweise die Dogmatiker und Idealisten, für die NUR (!) Naturweine akzeptabel sind. Dann gibt es Menschen, denen nur schmeckt, was sie bereits kennen und die oft einen eindimensionalen Geschmack haben (z. B.: ein schwerer, dicht konzentrierter Rotwein muss es sein, alles andere kommt nicht in Frage). Und es gibt Personen, die offen sind für Entdeckungen und die kein starres Bild davon haben, wie etwas zu sein hat; die Vielfalt als Bereicherung ansehen und eng gefasste Geschmacksnormen ablehnen. Ich zähle mich zu letzterem Personenkreis, was wenig erstaunen dürfte. Wobei das nicht bedeutet, dass ich jeden Wein mag. Ganz im Gegenteil. Mit marmeladigen Rotweinen braucht mir gar niemand erst zu kommen. Davon hatte ich genug im Leben und sehe keinen weiteren Bedarf.
Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema: Wie es aussieht, steht uns ein schwerer Winter bevor, und ein bisschen Rosarot kann da sicher nicht schaden, oder? Ergo habe ich in den vergangenen Wochen einige spanische und portugiesische Rosés getestet und die Folgenden für wintertauglich befunden.
Alfredo Maestro Viticultor – Amanda 2019
Neulich trank ich diesen Rosé zu geschmorten Schweinerippen, Bratkartoffeln und Krautsalat. Also nicht das, was man gemeinhin als leichte Sommerkost bezeichnen würde. Und das hat wunderbar gepasst. Jener Naturwein aus der Rebsorte Garnacha Tintorera heißt Amanda 2019 und kommt vom Weinmacher Alfredo Maestro. Zugegeben, farblich ist es ein ziemlich roter Rosé, den man auch für eine Garnacha aus Gredos oder eine Mencía aus Ribeira Sacra halten könnte. Warum auch nicht? Rosé ist ein vielseitiges Genre und nicht jedes Gewächs muss zart lachsfarben daherkommen. Wider dem provencalischen Schönheitsideal!, sage ich dazu.
Die rote Farbe hat mit Garnacha Tintorera zu tun. Es handelt sich nämlich um die einzige Rotweinsorte, deren Saft bereits rot ist. Eine Maischestandzeit ist somit gar nicht nötig, um die rötliche Färbung zu erhalten: Alfredo Maestro presst die Trauben direkt nach dem Entrappen und vergärt den Saft mit wilden Hefen. Da es ein Naturwein ist, verzichtet er freilich auf Schwefelzugabe, Schönung und Filtrierung.
Obwohl der Winzer seinen Keller in Penafiel im Anbaugebiet Ribera del Duero hat, kommen die Weine mit der Herkunftsangabe V.T. Castilla y León in den Handel. Die Rebsorte Garnacha Tintorera wäre in der D.O. Ribera del Duero gar nicht zugelassen.
Bodegas Marañones – Tapafugas 2018
Marañones ist einer der führenden Erzeuger in der Sierra de Gredos. Jene Bergregion hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem der wichtigsten spanischen Weingebiete aufgeschwungen. Höhenlagen, Granitsandböden und alte Garnacha-Reben sind der Dreiklang des faszinierenden Gredos-Terroirs.
In einem früheren Beitrag hatte ich es schon einmal geschrieben: Es würde zweifellos Sinn machen eine eigene D.O. Sierra de Gredos zu gründen. Doch weil sich der Gebirgszug auf drei autonome Gemeinschaften verteilt, ist er ebenso Teil von drei Appellationen: D.O. Méntrida (Kastilien-La Mancha), D.O.P. Cebreros (Kastilien-León) und das Anbaugebiet D.O. Vinos de Madrid, in dem sich Bodegas Marañones und dessen Weinberge befinden. Der Önologe von Marañones ist übrigens Fernando García, der in der Weinwelt als die eine Hälfte von Comando G bekannt ist.
Die Hauptsorten der Sierra de Gredos sind die rote Garnacha und die weiße Albillo Real. Zu jeweils fünfzig Prozent aus diesen Reben wird die Clarete Tapafugas 2018 gekeltert. Die roten und weißen Trauben werden zusammen vergoren, was bedeutet, dass sie zeitgleich gelesen werden. Das ist nicht einfach, denn die weiße Albillo Real reift deutlich früher als die Garnacha. Es gibt also nur ein kurzes Zeitfenster, in dem die Albillo spät (aber nicht zu spät) und die Garnacha früh (aber nicht zu früh) parallel geerntet werden können.
Dieses Unterfangen gelang im Jahr 2018 offensichtlich ausgezeichnet. Tapafugas 2018 ist wirklich klasse, der Wein hat mir enorm viel Spaß gemacht und großartig zu einem Risotto gepasst. Tapafugas ist superfrisch und ziemlich knackig, bzw. auf Neudeutsch: „crispy“. Dieser Wein hat einen richtig guten Säurezug und viel Spannung; er wirkt zudem sehr klar und geradlinig. Die Trauben werden über drei Tage hinweg mit Füßen zertreten, dann gepresst und in gebrauchten Holzfudern vergoren. Der 10-monatige Ausbau erfolgt ebenfalls in gebrauchten Holzfudern.
PS: Die Webseite von Marañones ist sehr informativ. Beinahe wie ein kleines Lexikon für jene, die mehr über die Sierra de Gredos und den dortigen Weinbau erfahren wollen.
La Galaxia 2019 – ein Rosado aus Portugal
In den bislang 204 Beiträgen auf „Spaniens Weinwelten“ habe ich den Namen des Blogs zu 99 Prozent wörtlich genommen. Spaniens Weine, Weingebiete und Winzer sind Programm und werden es auch in Zukunft bleiben. Ein bisschen mehr redaktionelle Freiheit will ich mir zukünftig allerdings gönnen und hin und wieder einen Blick in die Nachbarländer Portugal und Frankreich werfen. Ich denke, dass es der Erkenntnis hilft, wenn ich nicht allein über Spanien berichte, sondern es ebenfalls in Relation zu anderen Weinländern setze. Soweit mein Vorsatz für 2021. Wir wissen alle, was es mit guten Vorsätzen zumeist auf sich hat.
Der Rosado La Galaxia 2019 stammt aus dem Anbaugebiet Dão in Zentralportugal. Der Fluss Douro befindet sich etwa 60 Kilometer Luftlinie in nördlicher Richtung. Südlich von Dão fließt wiederum – in ähnlicher Entfernung – der Tejo. Ich schreibe das auf, weil ich mir die Geografie von Portugal noch verinnerlichen muss. Die spanische Landkarte kenne ich mittlerweile in- und auswendig.
La Galaxia ist ein hellfarbener, aromatisch feiner Rosé, bei dem ich salzig-mineralische Noten im Abgang wahrnehme. Die Cuvée aus den Rebsorten Braga, Tinta Roriz (span.: Tempranillo) und Jaén (span.: Mencía) ist delikat, frisch und trinkanimierend. Florale Aromen und Zitrusfrucht harmonieren hier prächtig, und der Alkoholgehalt fällt mit 12,5% Vol. recht moderat aus. Ein sehr schöner Wein!
Der Rosé entstammt einer Zusammenarbeit des heimischen Winzers Álvaro de Castro (Quinta da Pellada) und Eulogio Pomares. Letztgenannter ist kein Unbekannter auf diesem Blog. Er kommt aus Galicien, ist Önologe von Bodegas Zarate und macht ferner unter seinem eigenen Namen phänomenale Weiß- und Rotweine aus Albariño und Espadeiro. Darüber hinaus hat Eulogio Pomares das Projekt Fento Wines ins Leben gerufen, zu dem dieser Rosé aus dem portugiesischen Dão gehört. Hauptsächlich ist Fento Wines aber in der galicischen D.O. Rías Baixas aktiv. Das Portfolio umfasst preiswerte wie gute Rot- und Weißweine aus diversen autochthonen Reben.
Herència Altés – Rosat Special Edicion 2019
Zu den Entdeckungen meines Weinjahres 2020 gehören ganz gewiss Herència Altés, ein Weingut aus dem katalanischen Anbaugebiet Terra Alta. Das Klima im Hinterland der Costa Dorada ist mediterran trocken und heiß. Für Abkühlung sorgen ein trockener Nordwind aus Richtung Pyrenäen und ein feuchter Ostwind vom Mittelmeer. Kalk-, Sand- und Lehmböden sind weitere Faktoren, die Terra Alta zu einem Top-Weingebiet machen.
Herència Altés – das sind in erster Linie die Inhaber Nuria Altés und Rafael de Haan. Das Paar erzeugt durchweg hervorragende Weiß-, Orange-, Rot- und Roséweine aus den für die Region typischen Rebsorten Garnacha Tinta, Garnacha Blanca und Garnacha Peluda. Weine wie La Xalamera (rot), Trementinaire (orange) und La Serra Blanc (weiß) sind ganz großes Garnacha-Kino – lesen Sie hierzu mehr in diesem Beitrag.
Wenn es so etwas wie ein Leitmotiv gibt, das sich durch die Weine von Herència Altés zieht, dann sind das Frische und Eleganz. Zu 100 Prozent trifft dies auf den hochfeinen Rosat Special Edicion 2019 zu. Die Trauben für diesen lachsfarbenen Rosé kommen von alten Garnacha-Reben. Die Lese findet ein paar Wochen früher statt als bei den Garnacha-Trauben für die Rotweine. Nach einer Kaltmazeration werden die Trauben entrappt und nach kurzer Maischestandzeit sanft gepresst. Die Gärung und ein zweimonatiger Ausbau auf der Feinhefe (um mehr Textur im Wein bzw. Mundgefühl zu erhalten) erfolgen im Stahltank.
Bodegas Forlong – Rosado 2019
Für diesen Beitrag habe ich mir zwei Rosados aus der andalusischen Provinz Cádiz besorgt. So sehr mich die Rot- und Weißweine von Bodegas Luis Perez begeistern, den Rosado Marismilla 2019 finde ich etwas unkonturiert und nichtssagend. Es fehlt an Klarheit und Spannung, und der Abgang ist mir zu süßlich.
Im Vergleich gefällt mir der Forlong Rosado 2019 von Bodegas Forlong deutlich besser. Seine Trauben werden direkt gepresst, so dass der Most kaum Schalenkontakt hat und der Rosé entsprechend hellfarben ausfällt. Eher unüblich für das Cádiz-Gebiet ist der 60-prozentige Anteil Cabernet Sauvignon. Die weiteren vierzig Prozent stammen von der autochthonen Rotweintraube Tintilla de Rota. Jene Sorte hat die identische DNA wie die Graciano, die wir unter anderem aus der Rioja kennen. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Physiologie der Tintilla de Rota aber verändert. Die Reben sehen – trotz gleicher DNA – anders aus. Typisch für Cádiz wachsen sie bei Forlong auf den weißen, stark kalkhaltigen Albariza-Böden.
Von Bodegas Forlong kommen teils ziemlich verrückte Weine (z. B.: La Fleur und 80/20), die ich einmal auf einer Weinmesse mit Inhaber Alejandro Narvaéz alle probieren konnte. Der Rosado 2019 ist zwar interessant und hat Persönlichkeit, aber schräg ist er nicht. Für Forlong-Verhältnisse ist das fast schon Mainstream. Dennoch: Mir gefallen die floral-kräuterige Aromatik und der Zug nach hinten raus außerordentlich gut. Bei meiner letzten Weinorder habe ich zwei Flaschen nachbestellt. Bald, an Heilig Abend, gibt es bei uns Dorade im Salzmantel; gut möglich, dass ich eine dazu öffne.
Mehr interessante spanische Rosés, über die ich bereits in früheren Blogs berichtet habe:
Barranco Oscuro – Salmónido 2018
Ein Rosé aus Pinot Noir. Winzer Manuel Valenzuela baut die Rebsorte auf über 1300 m Höhe in Andalusien an. Seinen Salmónido bezeichnet er als einen “Rosé gegen den Strom”. Der Naturwein ist vielschichtig, druckvoll und hat einen guten Säurezug.
El Hato y el Garabato – La Xefa 2018
Aus Arribes, an der Grenze zu Portugal, kommt von José Manuel Beneitez dieser Rosado aus den Reben Juan Garcia und Doña Blanca. Der Wein aus über 100 Jahre alten Reben ist staubtrocken, rauchig-mineralisch und hat Zitrusfrucht.
Vinyes d’Olivardots – Rosa d’Amfora 2018
Ein klasse Rosé aus der raren Sorte Cariñena Gris (Graue Carinena). Aus 120 Jahre alten Reben in einem biodynamisch bestellten Weinberg. Carme Casacuberte und Carlota Pena erzeugen die besten Weine der katalanischen D.O. Empordá.
Bentomiz – Ariyanas Romé Rosado 2019
Von Clara Verheij kommt dieser betont mineralische Rosé. Er entsteht im Hinterland der Costa del Sol in den Axarquia-Bergen. Steillagen, Schieferböden und mediterrane Winde kennzeichnen das Terroir. Einzigartig ist ferner die extrem seltene rote Sorte Romé.
R. López de Heredia – Viña Tondonia Rosado Gran Reserva 2010
Der Kult-Rosado aus der Rioja. 2010 ist der derzeit aktuelle Jahrgang. Trotz des Alters und einem 54-monatigen Ausbau in Holzfässern schmeckt er erstaunlich frisch und nicht nach Holz. Vollmundig und etwas mürbe Textur. Tiefgründig und außergewöhnlich.
Bezugsquellen:
Amanda von Alfredo Maestro finden Sie u.a. bei Diana und Louis Souto Méndez in Hannover bzw. in deren Online-Shop.
Die anderen vorgestellten Rosés führen die einschlägigen spanischen Online-Händler, von denen viele nach Deutschland liefern.