Im Fußball sagt man, dass es die sogenannten Kleinen und Exoten nicht mehr gibt. Wie wahr. Die Zeiten, in denen das große Deutschland den „Exoten“ Südkorea fußballerisch abgefertigt hat, sind vorbei, wie wir alle leidvoll erfahren haben.
Beim Wein aus Spanien verhält sich das ähnlich: Die bedeutenden Anbaugebiete Rioja und Ribera del Duero schweben längst nicht mehr über allen anderen, selbst wenn das manche Weinkritiker noch nicht wahrhaben wollen: James Suckling und Stuart Pigott veröffentlichten zum Beispiel kürzlich ein Top-100-Ranking spanischer Weine. Satte 51 Plätze darunter belegen Gewächse aus Rioja und Ribera del Duero. Das ist ungefähr so abwechslungsreich und differenziert wie es bis vor kurzem in Hollywood bei den Oscar-Verleihungen zuging.
Auch in vielen deutschen Weinregalen und Weinkarten ist die enorme Dynamik des Weinlands Spanien noch nicht angekommen. Dabei ist es an der Zeit, Spanien weiter als Rotwein, Rioja, Reserva und Tempranillo zu denken.
Übrigens: Dies ist der fünfte und letzte Teil einer Serie über spanische Weingebiete. Fünf Beiträge, unterteilt in die Weltbekannten, die Arrivierten, die Aufstrebenden, die Größten und die Exoten.
Wenn ich hier und heute von Exoten spreche, dann bezieht sich das ausschließlich auf den Bekanntheitsgrad der fünf im Folgenden vorgestellten Appellationen. Oftmals laufen sie unterm Radar der Aufmerksamkeit, trotz ihrer spannenden Terroirs und Weine. Der Beitrag ist zugleich ein bisschen Rebenkunde: Schon mal etwas von Baboso, Vijiriega, Hondarribi Zuri und Juan Garcia gehört? Zu diesen Sorten gleich mehr. Beginnen wir die Weinreise auf den Kanarischen Inseln:
D.O. Ycoden-Daute-Isora – Wein vom Vulkan
Der Name klingt doch zumindest exotisch, oder? In diesem Anbaugebiet auf Teneriffa werden weniger als 300 Hektar Rebland bewirtschaftet. Die Weingärten reichen von der schroffen Atlantikküste bis ins Teide-Massiv hinein. In Höhenmetern ausgedrückt, erstrecken sich die Lagen von 50 m am Ozean bis auf 1.400 m landeinwärts.
Mit einer Länge von 84 Kilometern und einer Breite von maximal 54 Kilometern ist die Kanareninsel Teneriffa recht überschaubar, beherbergt aber sage und schreibe fünf DO-Regionen. Der Fläche nach sind sie klein, dafür mit einem Potenzial für große Weine ausgestattet. Vulkanische Böden, atlantische Winde und teils spektakuläre Höhenlagen bilden ein einzigartiges Terroir. Hinzu kommt, dass die Kanaren von der Reblaus verschont geblieben sind. So finden sich zahlreiche autochthone Sorten und wurzelechte Reben, die mitunter älter als 200 Jahre sind.
Die rote Baboso ist so eine einheimische Sorte, die vom Weinprojekt Ignios Orígenes in Ycoden-Daute-Isora zu einem fabelhaften Wein ausgebaut wird. Die Reben wachsen auf etwa 450 Höhenmetern auf vulkanischen Böden mit hohem Lössanteil und unter dem Einfluss von Passatwinden.
Der „Baboso Negro“ 2012 offenbart erdige, mineralische und rauchige Noten, die im Zusammenhang mit dem vulkanischen Untergrund auf dem er wächst stehen. Würzige und kräuterige Aromen tragen ferner zur geschmacklichen Komplexität bei. Mit jedem Schluck meine ich neue Geschmacksnuancen wahrzunehmen. Das ist vielschichtig, aromatisch und elegant.
D.O. Tzakolina Bizkaiko – frisch vom Atlantik
Zweitausend Kilometer nördlich von Teneriffa, aber auch am Atlantik, liegt dieses baskische Weingebiet. Klimatisch ist die Region von milden Sommertemperaturen und hohen Niederschlägen (über 1000 mm/Jahr) geprägt. Wein wird in niedrigen Lagen auf Böden mit Ton- und Kalkmergel angebaut. Zu fast 90 Prozent ist es die Weißweinsorte Hondarribi Zuri, aus der die sogenannten „Txakoli-Weine“entstehen.
Txakoli bezeichnet einen Weinstil, der typisch für die baskischen Weingebiete ist. Es handelt sich um frische, spritzige Weißweine mit einem relativ niedrigem Alkoholgehalt (11 bis 12,5%). Oftmals sind die Tropfen leicht moussierend. Das Aroma wird von fruchtigen, blumigen und grasigen Noten bestimmt.
Schöne Txakoli-Weine kommen vom Weingut Lapazaran. Mir gefällt besonders der „Txakoli Lapazaran“ 2017, der zu 90 Prozent aus Hondarribi Zuri und 10 Prozent Riesling gekeltert wird. Im Edelstahltank ausgebaut, kommt er mit lebhafter Säure und leicht sprudelnd daher. Typisch Txakoli eben, wie auch die moderaten 11,5% Vol. Alkoholgehalt. Alles in allem ein „crispy“ Weißwein mit weißen Fruchtaromen, der im Gesamteindruck sehr klar und frisch wirkt.
V.T. Cumbres del Guadalfeo – Hochlagen am Mittelmeer
In der Alpujarra-Region im südlichen Andalusien erstreckt sich dieses Landweingebiet. Der Sommelier José Antonio Gutierrez Ruz bezeichnete die Gegend jüngst als eine der spannendsten Spaniens. Sie sei mit einem Terroir ausgestattet, um einige der besten Weine der Welt hervorzubringen. Dabei zog er eine Parallele zum Priorat, da sich das mediterrane Bergklima und die Schieferböden in beiden Gebieten ähneln.
Die Höhenlagen sind in der V.T. Cumbres del Guadalfeo im Vergleich sogar weitaus spektakulärer. Auf fast 1.400 Höhenmeter befinden sich einige Weinberge. Kühle Sommernächte sorgen für gute Säurewerte (7 bis 8 g/l sind keine Seltenheit) und lange Reifezeiten der Beeren. Mitunter findet die Weinlese erst im Oktober und November statt.
Ein weiteres Merkmal ist der Tau, der in den Morgenstunden vom nahen Mittelmeer die Berge der Alpujarra hochzieht und sich auf den Rebgärten ablegt. Dieser kühlende Faktor trägt ebenfalls mit dazu bei, dass die Trauben in den heißen andalusischen Sommertagen nicht zu schnell reifen.
Die autochthone Sorte der Alpujarra ist die weiße Vijiriega. Die Rebe ergibt säurebetonte Weine mit einem kräftigen Körper. Die Frucht bleibt eher im Hintergrund. Wenn, dann sind es Aromen von Äpfeln und wildem Fenchel, die hervortreten.
Das Weingut Alqueria de Morayma erzeugt aus der Vijiriega einen saftigen Naturwein, dessen Jahrgang 2016 einen super Trinkfluss bietet. Charaktervoll ist auch der sortenreine, im Stahltank ausgebaute „Vigiriego“ 2016 vom Naturweingut Garcia de Verdevique. Druckvoll am Gaumen sowie mit reifen Apfelaromen und dezenten Cider-Anklängen ist dieser Tropfen prima gelungen.
Bernsteinfarben und von unbändiger Kraft ist ein Brut Nature, den Garcia de Verdevique ebenfalls reinsortig aus Vijiriega und aus bis zu 120 Jahre alten Reben keltert. Der Schaumwein wird im Champagner-Verfahren erzeugt und offenbart die für eine zweite Flaschengärung typisch teigigen Aromen, die einen spannenden Wechselakkord mit den Vijiriega-inhärenten Apfelnoten bilden. Das ganze hat viel Power und ist etwas für Weintrinker, die gerne mal was anderes probieren.
D.O. Arribes – Perle am Duero
Jenes kleine Anbaugebiet in Kastilien und León verfügt über eine Rebenfläche von weniger als 1000 Hektar. Die Appellation zieht sich durch eine stellenweise beeindruckende Canyon-Landschaft am Fluss Duero an der Grenze zu Portugal entlang. Auf der anderen Länderseite wird der Duero zum „Douro“, von wo die Trauben für die Portweine kommen. Bevor der Duero wiederum die D.O. Arribes erreicht, fließt er durch namhafte spanische Weingebiete wie Toro, Rueda und Ribera del Duero.
Dem Fluss kommt in geologischer wie klimatischer Hinsicht eine große Bedeutung für den Weinbau in Arribes zu. Die Granitböden wie sie im nordwestlichen Spanien häufiger vorkommen, sind mit Sedimentablagerungen durchsetzt. In den Flusstälern ist es zudem wärmer als auf den Hochplateaus, da der Duero tagsüber Wärme speichert und nachts an die Umgebung abgibt. Je nachdem wo sich ein Weinberg befindet, ist er also einem wärmeren oder kühleren Mikroklima ausgesetzt.
In Arribes heimisch sind die Rotweinsorten Juan García, Rufete und Bruñal sowie die weißen Reben Malvasia und Albillo. Ein saftiger und eleganter Rotwein ist der „Abadengo Crianza“ 2013 von Bodegas Ribera de Pelazas. Es ist ein sortenreiner Juan García, der sechs Monate im Barrique ausgebaut wird. Auch der weiße „Abadengo Blanco“ 2017 aus der Malvasia-Rebe überzeugt mit einem intensiven, fruchtig-exotischen Duft. Am Gaumen zeigen sich pflanzliche Anklänge wie Trockenblumen und Heu, was einen interessanten geschmacklichen Gegensatz kreiert.
D.O. Bullas – Monastrell County
Die Appellation liegt im heißen Südosten Spaniens in der Autonomen Gemeinschaft Murcia, etwa 80 Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Vergleicht man Bullas mit Deutschland, so kann man sagen, dass es sich um einen extrem kargen Landstrich handelt. Vergleicht man das Gebiet hingegen mit der in Sachen Wein bekannteren Nachbarregion Jumilla, so fallen die Niederschläge und die Vegetation üppiger aus. Der Grundwasserspiegel liegt in Bullas zudem höher als in Jumilla. So können sich alte Rebstöcke mit ihren bis zu zwanzig Meter tiefgehenden Wurzeln aus diesem unterirdischen Wasserspeicher stetig versorgen.
Die mit Abstand am häufigsten angebaute Rebe ist die autochthone Monastrell. Es ist eine Mittelmeersorte, die ihren Ursprung eben hier im Südosten Spaniens hat. Die Monastrell hat sich im Laufe der Jahrhunderte hervorragend an das Kalk-Lehm-Terroir und an die Hitze in Bullas angepasst. Die Reben werden traditionell in Buscherziehung gehalten und bei den auf Qualität setzenden Weingütern nicht bewässert – so auch bei Bodega Balcona, wo die Weinberge zudem im biologischen Anbau bestellt werden.
Von feingliedriger Eleganz zeugt Bodega Balconas „Partal“ 2016. Dieser sortenreine Monastrell aus 70 Jahre alten Reben ist komplex und voller Finesse. In der Nase gibt er Zwetschgenfrucht und mediterrane Kräuter zu erkennen. Am Gaumen überzeugen die zarte Weichheit, anregende Würze und ein langer Abgang. Unterlegt von einer feinen Mineralität hat Winzerin Josefa Fernández einen Rotwein geschaffen, der Tiefgang und wahren Genuss bietet.