Eine halbe Stunde vom Mittelmeer entfernt, befinden sich in der Alpujarra-Contraviesa die höchsten Weinberge Kontinentaleuropas. Am Wochenende haben wir unsere Freunde von Barranco Oscuro und Garcia de Verdevique dort besucht und den Jahrgang 2018 probiert. Da 2018 in der Provinz Granada verhältnismäßig kühl und regnerisch war, sind die Weine enorm frisch geraten und haben in den meisten Fällen etwas weniger Volumenprozent als üblich.
Hochlagen zwischen Mittelmeer und Sierra Nevada
Wer diesen Blog regelmäßig liest, dürfte die Naturweingüter Barranco Oscuro und Garcia de Verdevique bereits kennen. Mindestens zwei- bis dreimal im Jahr schaue ich dort vorbei. Von diesen Besuchen habe ich in diversen Beiträgen berichtet.
Von meinem Wohnsitz in der Sierra Nevada sind es ungefähr zehn Kilometer Luftlinie bis zur benachbarten Bergkette Sierra de la Contraviesa. Die Autofahrt dauert trotzdem eineinhalb Stunden, denn sie führt über schmale, kurvige Bergstraßen.
Die Alpujarra-Contraviesa ist ein wasserarmes und dünn besiedeltes Gebiet, dessen Landwirtschaft von Oliven, Mandeln, Feigen und Wein lebt. Für Mangos und Avocados – die an der nahen Mittelmeerküste „Costa Tropical“ so prächtig gedeihen – ist es in den Höhenlagen viel zu kalt und außerdem zu trocken.
Drei Faktoren machen die Contraviesa für den Weinanbau speziell.
Erstens: die erwähnten Hochlagen von bis zu 1370 Metern. Obwohl wir uns ganz im Süden Europas befinden, kühlt es im Sommer nachts merklich ab. Im Winter, Frühjahr und Herbst sind die Nächte sogar frostig. Schnee ist keine Seltenheit. Diese Hochlagen ergeben frische Weine mit exzellenten Säurewerten. Bei Gewächsen von Barranco Oscuro sind 7 bis 8 g/l Säure durchaus normal. Für mediterrane Weine ist das fabelhaft. Cool Climate aus Andalusien eben.
Zweitens: die kargen Schieferböden. Selten liegen die Erträge über 2500 kg je Hektar, dafür ist die Qualität der Trauben hoch. Kommen dann noch tief wurzelnde, über 100 Jahre alte Reben wie bei Garcia de Verdevique mit ins Spiel, so entstehen Weine mit hoher Konzentration und Komplexität.
Drittens: das spezielle Mikroklima der Contraviesa. Zwischen der schwülen Mittelmeerküste und den bis zu 3479 m hohen Gipfeln der Sierra Nevada entsteht im Sommer ein spezifisches, lokales Wetterphänomen: Tau bildet sich in den Morgenstunden ab einer Höhe von etwa 900 Metern und zieht in die Weinberge hinein. Das kühlt und erfrischt die Reben an den heißen Sommertagen.
Die drei aufgeführten Punkte sorgen dafür, dass die besten Weine des Gebiets nicht nur konzentriert, kraftvoll und alkoholisch sind (wie so viele mediterrane Weine), sondern darüber hinaus frisch, saftig und mineralisch.
Naturweine seit 1979 und eine Vielfalt an Reben
Die Trockenheit in der Contraviesa bringt viele Probleme mit sich, begünstigt aber immerhin den biologischen Weinanbau. Die Gefahr von Pilz- und Fäulnisbefall der Reben bzw. Trauben ist zum Beispiel viel geringer als im atlantisch-feuchten Galicien, wo ich gerade erst einige Weingebiete besucht habe. Entsprechend können die Winzer der Alpujarra-Contraviesa auf Spritzmittel verzichten.
In der Region hat sich außerdem die Erzeugung von Naturweinen etabliert. Neben der biologischen Landwirtschaft sind die Merkmale sogenannter Naturweine, dass sie a) mit natürlichen Hefen spontan vergoren, b) nicht geschwefelt und c) weder einer Schönung noch Filtrierung unterzogen werden.
Der heute 76-jährige Manuel Valenzuela vom Weingut Barranco Oscuro ist ein Pionier auf diesem Gebiet. In ganz Spanien und über die Landesgrenzen hinaus ist er für seine Naturweine, die er seit 1979 keltert, bekannt. Seine Weine sind kompromisslos und tragen eine unverkennbare persönliche Handschrift. Für mich überragend ist sein flaschenvergorener Schaumwein „Barranco Oscuro Brut Nature“ aus der autochthonen Weißweinsorte Vijiriega.
Darüber hinaus keltert Manuel Valenzuela trockene Weiß-, Rosé- und Rotweine aus typisch spanischen Sorten wie Tempranillo und Garnacha, aus populären Klassikern wie Syrah, Sauvignon Blanc und Chardonnay und aus „exotischen“ Reben wie Riesling und Gewürztraminer. Insgesamt dürfte er auf 12 Hektar gut zwei Dutzend verschiedene Rebsorten kultivieren.
Alpujarra-Contraviesa – großer Mix an lokalen und internationalen Rebsorten
Dies ist ein weiteres Merkmal der Alpujarra-Contraviesa: Es gibt nicht die eine Rebsorte, die alles dominiert wie zum Beispiel in Rías Baixas die Albarino, in Ribera del Duero die Tempranillo oder in Jumilla die Monastrell. In der Contraviesa existieren enorm viele Sorten nebeneinander.
Genauso verhält es sich beim Weingut Garcia de Verdevique, das lokale Reben wie Vigiriego, Jaén Blanco, Jaén Negro, Montua und Perruno und zudem bekannte Trauben wie Garnacha, Tempranillo, PX, Syrah, Petit Verdot und einige mehr auf acht Hektar im Anbau hat. Bei den Weinlagen mit 80 Jahren und älter handelt es sich häufig um Mischsätze.
Die Familie Garcia baut Wein seit Ende des 19. Jahrhunderts an diesem Standort an. Der heutige Inhaber Antonio Garcia stellte Anfang der 1990er den Betrieb auf Bio- und Naturweine um. Da die Weinberge steil und mit Traktoren nicht erreichbar sind, werden sie im Frühjahr mit Hilfe von Pferden gepflügt. Das Terroir aus mehrheitlich sehr alten Reben, Steillagen, Schieferböden und Weinbergen auf bis zu 1350 m Höhe ist spektakulär.
Der Cool-Climate-Jahrgang 2018
Das vergangene Jahr – ich hatte es eingangs gesagt – fiel im südlichen Andalusien erstaunlich kühl aus. Bis in den Mai hinein war es kalt und regnerisch. Der Sommer war zwar sonnig und trocken, aber die Temperaturen überstiegen selten die Dreißig-Grad-Marke. Und bereits im September frischte es, von Regen begleitet, wieder auf.
In den Hochlagen Granadas startete aufgrund des kühlen Jahres die Weinlese erst im Oktober und dauerte – immer wieder von Regenphasen unterbrochen – bis Ende November, als bereits der erste Schnee zu fallen begann. Für den südlichsten Teil Europas – wir befinden uns auf dem Breitengrad nordafrikanischer Städte wie Tunis und Algiers – ist ein solches Jahr, wie ich es skizziert habe, schon ungewöhnlich. Deshalb bin ich seit Monaten auf diesen Jahrgang 2018 gespannt.
Viele 2018er-Weine befinden sich natürlich noch im Ausbau. Aber zumindest einige Weiß-, Rosé- und im Stahltank ausgebaute Rotweine sind abgefüllt. Bei unseren jetzigen Besuchen konnten wir immerhin zehn Gewächse probieren. Beim Alkoholgehalt liegen sie zwischen 12 und 14,5 Volumenprozent. Ich erwähne diesen Punkt ausnahmsweise so deutlich, weil wir in „normalen“ Jahren eher auf eine Spanne von 13% bis 15,5% Alkoholgehalt kommen würden. Die niedrigsten Alkoholwerte hat in der Regel die weiße Vijiriega, die höchsten zumeist die Garnacha.
Barranco Oscuro – ein Rosé gegen den Strom
Bei Barranco Oscuro zeichnen sich die 2018er-Gewächse durch eine enorme Frische, Expressivität und Leichtigkeit aus. Der Weißwein V de Valenzuela wird aus der Sorte Vijiriega gewonnen, die von Natur aus viel Säure mitbringt – freilich umso mehr im Cool-Climate-Jahrgang 2018. Ähnlich knackig und im aromatischen Spektrum etwas weiter gefasst ist der Salvaje Blanco aus Sauvignon Blanc.
Supergut gefällt mir von Barranco Oscuro der Salmónido. Jener Rosé aus Pinot Noir ist crispy, mineralisch und hat einen ordentlichen Säurezug. „Rosado a contracorriente“ – „Roséwein gegen den Strom“ steht auf dem Etikett. Das kann man so stehen lassen. Pinot Noir in Andalusien?, mögen Sie sich zudem fragen. Genau! Die Spätburgunder ist eine Sorte, die es kühler mag, und deshalb ist sie in den Hochlagen von Granada häufiger vorzufinden.
Garcia de Verdevique – saftige Rotweine und ein interessanter Orange Wein
Die Weine von Garcia de Verdevique sind im Vergleich etwas kraftvoller und ebenfalls von einer prima Säure getragen. Ein erstklassiges Preis-Genuss-Verhältnis bietet der Tinto Joven aus Tempranillo, Garnacha und Merlot. Er ist weich, kompakt und fruchtig. Der rare Einzellagenwein La Lobera – ein sortenreiner Tempranillo – wirkt saftig, präzise und straff. Im Vergleich zu 2017 ist er weniger voluminös, dafür trockener und nochmals frischer.
Erstmalig kosten wir die Fassprobe eines noch namenlosen Orange Wine aus Vigiriego, Perruno und Sauvignon Blanc. Saftig und aromatisch schmeckt er, ein wenig herb durch die Tannine, aber nicht aufdringlich und bereits rund. Insgesamt zeigt er einen tollen Trinkfluss. Bis dieser Tropfen abgefüllt ist, vergeht noch ein halbes Jahr und löst bei mir schon jetzt Vorfreude auf den nächsten Besuch aus. Fortsetzung folgt.
Weitere Informationen
Bezugsquelle: Das umfassendste Weinsortiment zur Alpujarra-Contraviesa – freilich auch mit Weinen von Barranco Oscuro und García de Verdevique – bietet für Deutschland der Online-Shop von Werner Hofer in Berlin.
Bildnachweis: Foto 6: © Alberto Garcia. Alle weiteren Fotos: © Spaniens Weinwelten.
Sehr interessanter Bericht. Wir leben seit ca.zwei Jahren in Fiñana. Wir haben ca. 300 Rebstöcke und versuchen uns mit Hilfe der Einheimischen an der Weinherstellung in erster Linie am Naturwein. Kann man in diesem Weingut in den Bergen auch Wein verkosten? Es ist sehr spannend bei dieser Vielfalt. Lg Marek und Jutta
Hallo Marek und Jutta. Das klingt spannend, was Ihr macht. Schön, euch über diesen Kanal kennenzulernen! Beide Weingüter kann man besuchen. Es gibt aber keine regulären Öffnungszeiten. Ihr müsstet vorher per E-Mail oder telefonisch einen Besuch anfragen und vereinbaren. Und bestimmt werdet Ihr dann dort auch Weine verkosten können. Falls Ihr mehr Fragen dazu habt, könnt Ihr mich gerne auch persönlich kontaktieren. Die E-Mail-Adresse steht im Impressum.
Beste Grüße, Thomas Götz