Quizfrage: Welcher der drei folgenden Namen bezeichnet keine Rebsorte? Rancio, Picapoll oder Mandó. Gewusst? Oder vielleicht geraten? Die Lösung folgt weiter unten.
Zuerst will ich noch über das Anbaugebiet Pla de Bages sprechen. Vor der Reblausplage stellte es im 19. Jahrhundert die größte Weinregion in Katalonien dar. Heute ist die DO Pla de Bages mit um die 500 Hektar die kleinste aller katalanischen Appellationen. Kurz vor Weihnachten besuchte ich dort das Weingut Abadal, dessen Önologe Miquel Palau und Marketingdirektorin Carlota Creus mir die Weinberge und Keller zeigten.
Es war, wie man auf den Fotos sehen kann, ein sonniger Tag. Aber auch ziemlich kalt, womit ein wichtiges Merkmal der Region bereits genannt wäre: Das Klima in Pla de Bages ist stärker von den nahen Pyrenäen und weniger vom ebenfalls nahen Mittelmeer geprägt. „Wir erhalten viel kalte Luft von den Pyrenäen“, erklärt Miquel Palau, „während die Montserrat-Berge die (wärmeren) Winde vom Mittelmeer abblocken.“
Zwischen kontinentalen und mediterranen Kräften
Manchmal machen vermeintliche Kleinigkeiten einen bemerkenswerten Unterschied aus: In unmittelbarer Nachbarschaft zu Pla de Bages erstreckt sich das große und insbesondere für Cava weltbekannte Penedès-Gebiet. Im Gegensatz zu Pla de Bages liegt das Penedès südlich der bis zu 1.230 Meter hohen Montserrat-Berge. Somit haben wir es mit einem genau umgekehrten Effekt zu tun: Die feuchten und wärmeren Winde vom Mittelmeer können ins Penedès hineinziehen. Die kühlen Winde aus den Pyrenäen werden dagegen vom Bergzug aufgehalten.
Folglich ist das Klima in Penedès stark mediterran geprägt, während Pla de Bages einen stärkeren kontinentalen Einfluss aufweist. Ein kontinentales Klima bedeutet wiederum „größere Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, zwischen Winter und Sommer und einen längeren Reifezyklus der Trauben“, erklärt Miquel Palau.
Winzer seit dem 12. Jahrhundert
Abadal wurde 1983 gegründet. Das Weingut ist im Besitz der Familie Roqueta, deren Landhaus „Masia Roqueta“ sich ebenfalls auf dem Anwesen befindet. Die 70 Hektar Rebland verteilen sich auf zahlreiche Parzellen, die von Wäldern umgeben sind. Der Wald beeinflusst das Mikroklima und bedingt eine natürliche Umgebung, die aus Kräutern wie Rosmarin und Lavendel besteht und laut Miquel Palau „einen aromatischen Einfluss auf unsere Weine nimmt“.
Wein keltert die Familie Roqueta allerdings schon viel länger als seit den 1980ern. Ihre Wurzeln reichen zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ein alter Weinkeller im Landhaus Masia Roqueta ist Zeuge dieser langen Geschichte. Ein Gang führt in die unterirdischen, ehrwürdigen Gewölbe. In den verschachtelt angeordneten Räumen lagern zahlreiche Holzfässer. Sie sind nicht etwa leer, sondern mit kostbaren Schätzen gefüllt. Laut Marketingdirektorin Carlota Creus handelt es sich um eine der größten und wertvollsten Sammlungen oxidativer Weine in Katalonien. Die Gewächse sind 40 bis 70 Jahre alt. Rare Abfüllungen gelangen davon auf den Markt. Bis zu 19/20 Punkte erhalten sie bei Jancis Robinson. Der spanische Begriff für diese oxidativ ausgebauten Weine lautet „Vino Rancio“ („Vi Ranci“ auf katalanisch). Somit wäre die Quizfrage vom Anfang gelöst.
Den Hauptanteil der Abadal-Produktion stellen freilich klassisch ausgebaute Rot-, Weiß- und Roséweine dar. Zu diesen und zu Rebsorten wie Picapoll und Mandó kommen wir nun. Beziehungsweise schauen Sie sich gerne zuerst das 3-minütige Video an, welches ich bei meinem Besuch gedreht habe.
Eine Frage der Identität: die Rebsorten Picapoll, Mandó & Co.
Spanien erlebt seit 1980 „eine beinahe totalitäre Herrschaft der Tempranillo“, wie es der bekannte Kritiker José Peñin jüngst in einem Beitrag formuliert. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht, was er meint: Zwischen 1980 und 2020 ging die Gesamtrebfläche Spaniens von 1,63 Mio. Hektar auf 945.000 Hektar zurück. Trotz dieses enormen Schwunds an Rebfläche konnte die Tempranillo im gleichen Zeitraum von 32.000 Hektar auf 203.000 Hektar zulegen. Dies entspricht einem Zuwachs von 634 Prozent! Von den 90 Rotweinsorten, die im kommerziellen spanischen Weinbau in Nutzung sind, hält allein die Tempranillo einen Flächenanteil von 42 Prozent.
Doch so langsam aber sicher dreht sich das Blatt. In allen Teilen Spaniens besinnen sich Winzer und Winzerinnen zurück auf lokale Weintraditionen. Sie experimentieren mit Weinstilen abseits vom Barriqueausbau und sie rekultivieren fast vergessene einheimische Trauben. „Die traditionellen Rebsorten unserer Region wie Picapoll, Mandó und Sumoll geben unsern Weinen viel Identität“, sagt Önologe Miquel Palau.
Persönlich habe ich nichts gegen Tempranillo, auch nichts gegen internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon und Syrah. Trotzdem bin ich froh, dass in Spanien ein Umdenken stattfindet: Die Garnacha Tinta erfährt ein Revival in großem Stile. Auch die rote Mencía liegt im Trend. Des Weiteren gibt es etliche lokale Trauben, die fast ausgestorben wären und nun wieder im Kommen sind (wenngleich es sich um einen zarten Aufstieg handelt): Rufete in Salamanca, Arcos und Forcalla in Valencia, Trepat und Sumoll in Katalonien, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Selbst wenn diese Reben derzeit über wenig Fläche verfügen und niemals in die Nähe der Dimensionen der Tempranillo kommen werden, so bereichern sie das Weinland Spanien doch enorm im Sinne von Vielfalt. „Raus aus der Uniformität“ muss das Motto lauten.
Dabei geht es nicht darum, dass alte lokale Sorten die derzeit populären Trauben gänzlich ersetzen. Es geht vielmehr um ein Nebeneinander, so wie es bei Bodegas Abadal der Fall ist: Das Weingut hat sowohl die Tempranillo und internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon, Syrah, Merlot, Chardonnay und Sauvignon Blanc als auch die traditionell einheimischen Trauben Picapoll, Macabeo, Mandó und Sumoll im Anbau. Das zeugt von einem weltoffenen und regionalen Bewusstsein. Beides sollte in einer globalisierten (Wein-)Welt möglich sein.
Auf die Besichtigung von Weinlagen und Weinkellern folgt standesgemäß die Degustation. Die folgenden Weine bleiben in Erinnerung.
Abadal – ausgesuchte Weine:
Nuat 2018
Weißwein aus den autochthonen Trauben Picapoll (ca. 80%) und Macabeo. Ein Mischsatz mit 70 Jahre alten Reben in Buscherziehung (siehe Titelfoto mit Miquel Palau). Ausbau teils in Stahltank, Holzfass und Amphore. Komplex und gut strukturiert, mineralisch und geschmeidig, frische Säure und reife Frucht, druckvoll am Gaumen und mit guter Länge. Bezug: hispavinus.de
Abadal Mandó 2018
Laut spanischem Agrarministerium existiert die Rotweinsorte Mandó gerade einmal auf 37 Hektar. Schon allein deshalb kann man von einem besonderen Tropfen sprechen, der außerdem hervorragend schmeckt: saftig, rotfruchtig, frischer Säurezug und weiche Textur. Gerne mehr davon! Bezug: hispavinus.de
Abadal Picapoll 2020
Picapoll ist eine weitere rare Traube, die man innerhalb Spaniens nur in Katalonien vorfindet. Es gibt sie zudem in Frankreich, wo sie Picpoul heißt. Dieser Weißwein ist vollmundig und aromatisch, zugleich sehr gut balanciert und mit lebhafter Frische. Er bietet Trinkspass und ist außerdem interessant. Bezug: www.vinopolis.de
3.9 Vi de Finca 2018
Vino de Pago, der „Wein einer Einzellage“, ist die höchste Klassifikation des spanischen Weinrechts. Sie steht in der Hierarchie noch über DO und DOCa. Allerdings gibt es autonome Gemeinschaften, die das Gesetz zu den Vino de Pagos nie ratifiziert haben, beispielsweise La Rioja und Katalonien. Das katalanische Äquivalent zum Vino de Pago ist „Vi de Finca“. Dieser Rotwein aus 100% Cabernet Sauvignon ist ein solcher Vi de Finca. Benannt nach Zone 3, Parzelle 9, in der die Reben bei Bodegas Abadal wachsen. Böden aus Kalkstein und Lehm. Ein eleganter, samtiger, tiefgründiger und langer Rotwein. Bezug: www.vinopolis.de
Alle Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten