Pago de los Balagueses ist ein „mythischer Ort“ wie sein Besitzer, der Weinmacher Rodolfo Valiente, zu mir sagt. Der 18 Hektar große Weinberg erstreckt sich in einem Naturpark, dessen Erosionsböden vor Jahrmillionen durch Überschwemmungen entstanden sind. Bereits vor 3000 Jahren haben Menschen an diesem Ort mehrere Höhlen in Felsen geschlagen und darin Wein gekeltert.
Seit 2011 führen die aus jener Lage stammenden Gewächse den Titel „Vino de Pago“, was die höchste Qualitätskategorie im spanischen Weinrecht darstellt. Mit Rodolfo Valiente von Bodegas Vegalfaro habe ich mich am Telefon über die Besonderheit des Weinbergs unterhalten und im Anschluss mit zwei Profis die Weine aus der Lage Pago de los Balagueses verkostet.
Der höchste Titel, den das spanische Weinrecht kennt
Das spanische Weingesetz kennt keine höhere Klassifikation als jene des „Vino de Pago“. Ein Vino de Pago – zu deutsch der „Wein einer Einzellage“ – steht rechtlich gesehen nochmals über den Qualitätsbezeichnungen DO und DOCa, wie sie für ganze Weinregionen wie beispielsweise Rioja, Rueda oder Navarra gelten.
Um den Titel „Vino de Pago“ zu erhalten, müssen sich Weingüter beim spanischen Agrarministerium bewerben und einen jahrelangen Prüfungsprozess durchlaufen. Unter anderem müssen sie dabei die Einzigartigkeit und Unterscheidbarkeit der zur Debatte stehenden Weinlage nachweisen und bestimmte Qualitätsstandards im Weinbau garantieren. Falls das spanische Agrarministerium den Antrag bewilligt, landet dieser zur finalen Affirmation bei der Europäischen Union. Erst wenn aus Brüssel ein positiver Bescheid kommt, darf die Weinlage als Vino de Pago ausgewiesen werden. Im riesigen Weinland Spanien gibt es derzeit nur 17 solche Vino de Pago.
Vino de Pago bedeutet in der Praxis, dass der so bezeichnete Wein aus Trauben gemacht ist, die von einem einzigartigen und distinktiven Weinberg kommen. Diese Einzigartigkeit ist gesetzlich verbrieft. Ein Vino de Pago wird quasi als eigenständiges Mikro-Anbaugebiet begriffen. Deshalb darf ein Vino de Pago auch den Zusatz „Denominación de Orígen“ (DO) führen.
Um an dieser Stelle eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: Viele spanische Weinnamen führen das Wort „Pago“, was einfach nur Weinlage bedeutet (z. B. Pago del Rey, Pago del Vicario, Pago de Cirsus, etc.). Diese Gewächse sind aber keine rechtlich anerkannten Vino de Pago.
Los Balagueses: Kalkböden und eine lange Weinhistorie
Pago de los Balagueses kann also als 18 Hektar kleines und eigenständiges Qualitätsweingebiet angesehen werden. Was aber macht die in drei Parzellen unterteilte Lage so einzigartig, lautet meine Eingangsfrage an Rodolfo Valiente.
„Zum einen sind es die Böden“, antwortet er mir. Im umliegenden Anbaugebiet Utiel-Requena fänden wir fast ausschließlich Lehmböden vor. Bei Pago de los Balagueses wären es hingegen Böden aus Kalkstein und Kelkmergel mit einem sandigen Unterboden. Es handele sich um einen Erosionsboden, welcher die Reben tief wurzeln lasse und über hervorragende Eigenschaften als Wasserspeicher verfüge.
Die Geologie des Weinbergs, der heute zwischen zwei Flüssen liegt, ergibt sich aus Überflutungen, die vor Millionen von Jahren stattgefunden haben. Rodolfo Valiente erklärt mir ferner, dass sich Pago de los Balagueses inmitten des Naturparks Hoces del Cabriel befindet. Im biologisch bewirtschafteten Weinberg wurden niemals Pestizide oder Herbizide eingesetzt, und die Nachbarschaft besteht aus Pinienwäldern, an deren Rändern mediterrane Kräuter wie Lavendel, Thymian und Rosmarin gedeihen. So mancher Biowinzer, denke ich in dem Moment, würde sich eine derart reine Umgebung wünschen. Denn was der Kollege nebenan seinen Reben und Böden so alles zuführt, darauf hat er normalerweise keinen Einfluss.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal besteht laut Rodolfo Valiente darin, dass Pago de los Balagueses mit rund 750 m. ü. NHN etwa 100 Meter höher als der Rest des Anbaugebiets liege. Im Sommer, fährt er fort, betrügen die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht um die 17 Grad Celsius. Das sei wichtig, um Trauben mit guter Säure und Frische zu erhalten.
Für mich, der sich seit drei Jahren intensiv mit spanischen Weinen beschäftigt, ist die Säure ein entscheidendes Kriterium: An Extrakt und Alkoholgehalt mangelt es südspanischen Weinen eigentlich nie. Der für mich entscheidende Faktor ist die Säure: Sie macht Weine lebendig und saftig, und hierbei spielt die Höhenlage eine wichtige Rolle: Denn in einer entsprechenden Höhenlage mit kühlen Nächten können Trauben voll ausreifen und zugleich frisch bleiben. Was dem deutschen Winzer der Südhang, das ist dem spanischen Weinmacher die Hochlage.
Last but not least, um auf den „mythischen“ Weinort zurückzukommen, finden sich in der Umgebung von Pago de los Balagueses vierzehn archäologische Ausgrabungsstätten, die beweisen, dass hier vor 3000 Jahren bereits Wein erzeugt wurde. Von den Phöniziern, die seinerzeit Handelsstationen im gesamten Mittelmeerraum errichteten, wurde der Wein dann verschifft. Als Referenz an diese Vergangenheit tragen die Etiketten der Weine von Pago de los Balagueses ein phönizisches Handelsschiff als Motiv.
Pago de los Balagueses: die Verkostung der Weine
Freilich konnte ich es bei einem so spannenden Kontext kaum erwarten die drei Weine zu verkosten. Hierzu lud ich meine niederländischen Freunde Dick Speelpenning und Nelleke Maris von der Distribution Granada Wijnen zu einem Tasting ein.
Mineralität und Frische, da sind wir uns einig, kennzeichnen den Chardonnay 2017. Wir riechen Stein und eine frische Fruchtnote, die uns an Physalis erinnert. Das Gewächs verfügt über eine prima Säure (5,6 g/l) und schmeckt entsprechend saftig und animierend. Sechs Monate Ausbau im Barrique geben dem Wein eine schmelzig-weiche Textur und einen bleibenden Abgang. Das Holz ist hierbei ausgezeichnet eingebunden, es überlagert andere Aromen nicht, sondern ergänzt sie und trägt zur Komplexität bei. Entsprechend elegant und vielschichtig kommt dieser Weißwein daher. Alle drei sind wir beeindruckt. Wer der ABC-Fraktion (Anything but Chardonnay) angehört, sollte diesen Tropfen probieren. Vielleicht ändert er oder sie die Meinung danach.
Auch beim Syrah 2016 gibt es bei uns keine unterschiedlichen Ansichten: Wir finden ihn schlichtweg außergewöhnlich. Im Duft zeigt sich eine Komposition aus reifer Frucht (Dick und Nelleke meinen es ist Pflaume und Maulbeere), etwas pfeffriger Würze und erdigen Tönen, die an Wald erinnern. Die aromatische Vielfalt in der Nase, bei gleichzeitiger Reinheit und Sauberkeit, empfinden wir als hervorragend gelungen. Am Gaumen ist das reife Tannin anfangs ziemlich präsent. Mit etwas Luftkontakt mildert es sich ab, und es bleibt ein frischer, erdig-würziger Eindruck von einem knackigen wie harmonischen Wein zurück. Geschmacklich geht das in die Breite und Tiefe.
Abschließend verkosten wir die 2014er Cuvée aus Garnacha Tintorera (70%) und Merlot. Der Wein wirkt etwas üppiger als die zuvor genannten, was sicher auch auf die Hauptrebe zurückzuführen ist. Jene Garnacha Tintorera ist eine autochthone Sorte Südostspaniens. Man darf sie nicht mit der in Spanien häufig angebauten Garnacha Tinta verwechseln. Die Tintorera ist zum Beispiel die einzige Traube mit einem dunklen Saft und ergibt entsprechend farblich dunkle Moste.
Da die Rebsorte als eher säurearm gilt und „schnell rosiniert“ wie Rodolfo Valiente sagt, wird sie in Pago de los Balagueses zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten geerntet: Bei der ersten Lese geht es darum möglichst frische Trauben zu erhalten. Die zweite Lese, etwa sieben bis zehn Tage später, zielt auf die reifen Trauben. Auf diese Weise soll die Balance zwischen Säure und Körper, Frische und Frucht gewahrt sein. Die Moste werden übrigens separat vergoren und ausgebaut und erst am Ende der Weinbereitung verschnitten.
Im Wissen um diesen Kontext finde ich den Wein erstklassig geraten. In der Nase treten durchaus schwerere Noten wie Tabak, Tier und dunkle Beeren zu Tage. Am Gaumen ist der Wein hingegen weich (aber auch würzig) und fühlt sich trockener an als er mit 4,4 g/l Restzucker physikalisch gesehen ist. Die Säure ist mit 5,2 g/l wieder fabelhaft, das sorgt für eine schöne Saftigkeit. Achtung: Unmittelbar nach dem Öffnen der Flasche mag Ihnen der Wein etwas sperrig vorkommen, doch mit etwa einer Stunde Luftkontakt läuft er samtig über den Gaumen.
Und welche Weine trinkt Rodolfo Valiente am liebsten, wenn es nicht die eigenen sind, frage ich ihn. „Pinot Noir aus dem Burgund“, antwortet er und fügt lachend hinzu: „Die sind ganz anders als das was ich hier bekomme“. Aus Deutschland hätten ihn so manche Pinot Noirs ebenfalls positiv überrascht, meint er noch. Das freut mich wiederum, wenn deutsche Rotweine bei spanischen Winzern Anerkennung finden.
Bei Weißweinen sei der Riesling sein Favorit: „Man kann bei vielen Rieslingen den Boden, die Erde geradezu riechen“, gibt er als Begründung an. Den Boden und die Erde riechen – das kommt uns bekannt vor, denn das können wir bei den Weinen aus Pago de los Balagueses auch. Es ist ein ganz besonderer, einzigartiger Weinstandort mit drei besonderen Weinen. Danke, Rodolfo Valiente.
Infos: Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über spanische Vino de Pago. Von der Weindistribution Deuna habe ich die Weinmuster für den Artikel erhalten. Besten Dank hierfür!
Beziehen können Sie diese und weitere Weine von Bodegas Vegalfaro u.a. im Online-Shop von Vinopolis.
Fotos 1, 3, 4, 5 und 7 in diesem Beitrag: Mit freundlicher Genehmigung von Bodegas Vegalfaro