Vegalfaro – ein Weingut, drei Appellationen

Bodegas Vegalfaro nahe Requena

Die Kleinstadt Requena befindet sich sechzig Kilometer westlich von Valencia. Obwohl nicht weit vom Mittelmeer entfernt, liegt sie bereits auf 690 Metern Meereshöhe – auf einem Hochplateau, das nahezu das gesamte Landesinnere von Spanien abdeckt. 

Gemeinsam mit dem Nachbarort Utiel ist Requena außerdem Namensgeber für die Appellation D.O. Utiel-Requena. Mit 34.000 Hektar Rebfläche handelt es sich um eines der größten Anbaugebiete Spaniens. Fast siebzig Prozent Anteil am Rebsortenspiegel hält dabei die autochthone Rotweintraube Bobal.

Vegalfaro – biologisch bestellte Lagen im Flusstal des Jucar

Der Weinanbau in Utiel-Requena ist geprägt von Lehm- und Kalkböden, von Höhenlagen bis 850 m.ü.NN und von drei Winden: Der Levante ist ein feuchter Wind aus Richtung Mittelmeer. Der Poniente wiederum ein trockener Wind aus dem Landesinnern. Und der Cierzo ein kühler Wind aus nordöstlich gelegenen Bergen. Zum einen schützen die Winde die Reben vor Krankheiten. Zum anderen kühlen sie die Weinberge ab. Somit werden die Trauben in den heißen Sommern nicht zu schnell überreif. Geerntet wird in der Regel im September.

Darüber hinaus sorgt die Hochlage im Sommer für Temperaturunterschiede von 17 °C zwischen Tag und Nacht. Gerade erst besuchte ich Requena und habe es quasi am eigenen Leib erfahren: Tagsüber war es mit 35 °C im Schatten ziemlich heiß. Allerdings wurde es nachts, so ab 22 Uhr, schon ordentlich frisch, vor allem in Verbindung mit den bereits genannten Winden, welche die Region regelmäßig aufsuchen. 

Eine schöne Abkühlung bieten in der Altstadt ferner die unterirdischen Weinkeller aus dem 17. Jahrhundert, die in Requena bis ins 20. Jahrhundert zur Erzeugung und Aufbewahrung von Wein genutzt wurden. Der eigentliche Grund für meinen Aufenthalt war aber ein Besuch beim Weingut Vegalfaro. Dort nahm ich zuerst an einer Führung teil und verbrachte im Anschluss eine gute Stunde mit Winzer Rodolfo Valiente und dessen Vater, dem Weingutsgründer, Andrés Valiente.

Weinmacher Rodolfo und sein Vater Andrés Valiente in einem alten Bobal-Weinberg von Bodegas Vegalfaro
Weinmacher Rodolfo und sein Vater Andrés Valiente in einem alten Bobal-Weinberg

Die Führung beginnt in den Weinbergen, darunter eine Lage mit 100 Jahre alten Bobal-Reben, die in traditioneller Buscherziehung gehalten sind. Im gesamten spanischen Mittelmeerraum gab es im Frühjahr und Frühsommer erstaunlich viel Regen. Gewöhnlich fallen in Requena etwa 350 mm im ganzen Jahr, erzählt uns Rodolfo Valiente. Hingegen lägen wir 2020 bereits im Juli bei über 600 mm Niederschlag. 

Das hohe Niederschlagsaufkommen führte im ganzen Mittelmeergebiet zu Problemen im Weinbau: Ein heftiger Mehltau-Befall erforderte übermäßig viel Arbeit im Weinberg, und dies zur Corona-Zeit, wo die Leute eigentlich so wenig wie möglich rausgehen sollten. Trotzdem sind die biologisch bewirtschafteten Weinberge von Bodegas Vegalfaro in einem tiptop Zustand. Da habe ich auf meiner kürzlichen Fahrt durch halb Spanien ganz andere Beispiele von überwucherten Rebgärten und kranken Weinreben gesehen. Der für die Lagen verantwortliche Agraringenieur Pablo Martínez – erst ein Jahr im Betrieb – scheint hier sein Meisterstück abzuliefern.

Pablo Martínez ist bei Vegalfaro für die Pflege der Weinberge zuständig
Pablo Martínez ist für die Pflege der Weinberge zuständig

Caprasia – Bobal in Tonamphoren und D.O. Cava

Aufgrund der Corona-Situation fiel ein Besuch der Innenräume – sprich Kellerei – aus. Stattdessen machten wir uns gleich an die Verkostung im Freien unter Pinienbäumen. Bodegas Vegalfaro erzeugt drei Weinreihen: Caprasia, Pago de los Balagueses und Rebellia. Je nachdem tragen die Weine die Herkunftsbezeichnung D.O. Utiel-Requena, D.O. Cava oder D.O. Los Balagueses. Ein Weingut, drei Appellationen: Das muss man erstmal schaffen. Später dazu mehr.

Die Caprasia-Weine von Bodegas Vegalfaro sind aus meiner Sicht ausgezeichnete Beispiele, wie mediterrane Gewächse daherkommen sollten: Körperreich, ohne üppig zu sein. Kraftvoll, aber nicht schwer. Außerdem frisch und balanciert. Rodolfo Valiente sagt, ihm sei es wichtig gastronomische Weine zu keltern, also Weine, die mit Speisen korrespondieren. „Ich will keine Weine, die dich nach einem Glas satt machen“. Diese Prämisse trifft vollauf zu. Ich jedenfalls schenke mir von diesen Weinen gerne nach.

Besonders gut gefällt mir der 2017 Caprasia Bobal Crianza Anfora. Das ist ein Rotwein aus alten Bobal-Reben, für den Rodolfo Valiente die Trauben aus verschiedenen Böden – Kalk bzw. Lehm – bezieht. Außerdem baut er die Moste unterschiedlich aus: Einen Teil für 14 Monate in Holzfässern, den anderen in Tonamphoren. Im Grunde haben wir es mit einer Bobal-Cuvée zu tun.

Klasse Weine aus Bobal, Merlot, Macabeo und Chardonnay, darunter rechts ein Schaumwein Brut Nature mit D.O. Cava Herkunftsangabe.
Klasse Weine aus Bobal, Merlot, Macabeo und Chardonnay, darunter rechts ein Schaumwein Brut Nature mit D.O. Cava Herkunftsangabe.

Ich frage Rodolfo, warum er (teils) auf Tonamphoren setzt. Die Bobal-Traube, antwortet er, verfüge über eher rustikales Tannin. Die Amphoren hat er als geeignetes Werkzeug ausgemacht, um im Ausbau damit umzugehen, sprich das Tannin zu veredeln. 

Generell läuft eine Diskussion unter spanischen Winzern, die in die Richtung geht, dass Tonamphoren und Zementbehältnisse das Terroir mehr respektieren als Holz, weil sie weniger Eigengeschmack an den Wein abgeben und trotzdem eine Mikrooxidation ermöglichen. Ich selbst habe mir dazu noch keine endgültige Meinung gebildet. 

Hinzu kommt vielerorts eine Rückbesinnung auf alte Weintraditionen: In vielen Gebieten von Kastilien-La Mancha und Valenciana sind Amphoren die historisch üblichen Gefäße zur Erzeugung von Wein. Das hat damit zu tun, dass die Böden stark lehmhaltig sind und Ton entsprechend einfach zur Verarbeitung gewonnen werden kann. Während Bäume – also Holz – in diesen heißen trockenen Gegenden schon immer rar waren.

Unterirdischer Weinkeller in der Stadt Requena. Tonamphoren sind in der Region die traditionellen Gefäße zur Weinbereitung.
Unterirdischer Weinkeller in der Stadt Requena. Tonamphoren sind in der Region die traditionellen Gefäße zur Weinbereitung.

Die Verwendung von Tonamphoren und Zementbehältern für den Weinausbau nimmt im Südosten und insgesamt in Spanien entsprechend zu, wenngleich wir prozentual weiterhin im niedrigen einstelligen Bereich liegen dürften. Stahltanks und Holzgebinde dominieren nach wie vor das Erscheinungsbild der spanischen Weinkellereien. Übrigens auch bei Bodegas Vegalfaro, die Amphoren sind eher als Ergänzung zu verstehen.

Eine weitere Besonderheit sind die Schaumweine aus Requena mit der Klassifizierung D.O. Cava. Besonderheit deshalb, weil es außerhalb Kataloniens nur wenige kleine Gebiete gibt, die diese Herkunftsangabe tragen dürfen. Auch Vegalfaro hat eine solche Cava im Portfolio: Die 2017 Caprasia Cava ist aus Macabeo und Chardonnay gewonnen. Es ist ein flaschenvergorener Schaumwein ohne Restzucker (Brut Nature) und mit 18 Monaten Hefelager. Als Brut Nature schmeckt er logischerweise staubtrocken und für meinen Geschmack sehr trinkanimierend. Das ist richtig fein. 

Pago de los Balagueses – ein Weinberg als eigenständige Appellation

Bodegas Vegalfaro gehört darüber hinaus dem erlesenen Kreis der spanischen „Vino de Pago“ an. Konkret bezieht sich dieser Titel auf die Weinlage (spanisch: Pago) Los Balagueses, die sich in einem Naturpark auf 750 Metern Meereshöhe befindet. Als Vino de Pago klassifiziert, gilt der 18 Hektar große Weinberg als eigenständiges Qualitätsweingebiet und trägt deshalb die Herkunftsangabe D.O. Los Balagueses.

Pago de los Balagueses im Naturpark Hoces del Cabriel
Vino de Pago: Der Weinberg Los Balagueses liegt im Naturpark Hoces de Cabriel

Das spanische Weinrecht kennt keine höhere Klassifizierung als Vino de Pago. Die Kriterien zur Vergabe dieser Auszeichnung sind äußerst streng: Der Antrag wird zuerst von der spanischen Regierung geprüft und zuletzt – wenn alles gut läuft – von der Europäischen Union anerkannt. Das ist ein Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Im riesigen Weinland Spanien gibt es derzeit nur 20 Vino de Pago, darunter so bekannte wie Dominio de Valdepusa und Finca Elez.

Im biodynamisch bewirtschafteten Pago de los Balagueses wurden niemals Pestizide oder Herbizide eingesetzt. Die Nachbarschaft besteht aus Pinienwäldern, an deren Rändern mediterrane Kräuter wie Lavendel, Thymian und Rosmarin wachsen. In der Umgebung finden sich mehrere archäologische Ausgrabungsstätten, die zeigen, dass hier bereits vor 3000 Jahren Wein erzeugt wurde. Von den Phöniziern, die seinerzeit Handelsstationen im gesamten Mittelmeerraum errichteten, wurde der Wein überall hin verschifft. Als Referenz an diese Vergangenheit tragen die Etiketten der Weine ein phönizisches Handelsschiff als Motiv.

Pago de los Balagueses: Großartige Weine
Pago de los Balagueses: Drei Spitzenweine, hier die Syrah 2016

Aus der Weinlage Los Balagueses gewinnt Rodolfo Valiente drei sortenreine Gewächse aus Chardonnay, Syrah und Garnacha Tintorera. Es sind absolute Top-Weine, der US-Kritiker James Suckling spricht beispielsweise vom besten Syrah Spaniens. Von diesem Rotwein öffnet Rodolfo Valiente den 2017er-Jahrgang. Der Wein zeigt Spannung und Dynamik und eine komplexe Aromatik aus roter und dunkler Frucht und mediterranen Kräutern.

Auf den Heimweg gibt mir Rodolfo unter anderem den 2017 Pago de los Balagueses Garnacha Tintorera mit. Jene Rebsorte ist nicht zu verwechseln mit der in Spanien weit verbreiteten Garnacha Tinta. Bei der Tintorera handelt es sich nämlich um eine Kreuzung aus Garnacha Tinta und Petit Bouschet (die Garnacha Tintorera ist übrigens die einzige Rotweinsorte, deren Saft bereits rot ist). Eine Garnacha-Stilistik ist schon aber zu erkennen: Das Gewächs ist auf der weichen und eleganten Seite, mit seidigem Tannin und saftiger Frische. Die 15% Vol. sind hervorragend eingebunden und nicht spürbar. Ich habe den Wein mit meiner Familie zu einem einfachen Pastagericht genossen. Das hat einwandfrei gepasst.

Vegalfaro Rebel.lia – Bassgitarre und Leder

Die dritte Weinreihe von Vegalfaro heißt Rebel.lia. Vielleicht steht das „Rebel“ für Rodolfo Valiente. Er spielt nämlich Bassgitarre in einer Rockband. Die Serie besteht aus einem Weiß-, Rosé- und Rotwein mit sehr gutem Preis-Genuss-Verhältnis. Es sind Weine, die frisch und fruchtig sind und Trinkspass bereiten. Der junge Rote (Jg. 2019) aus Tempranillo und Garnacha Tintorera entpuppt sich bei mittlerem Körper ebenfalls als schöner Speisenbegleiter.

Vater Andrés, 82 Jahre alt, unterhält sich während des Besuchs länger mit meiner Frau Emily. Als 16-jähriger hat er im Leder-Business zu arbeiten begonnen, sich schrittweise hochgearbeitet und irgendwann als Händler ein Vermögen damit gemacht, welches er unter anderem in den Aufbau des Weinguts investierte. Es ist die Geschichte des Self-Made-Man, der aus einfachen Verhältnissen kommt und es mit Fleiß und Esprit zu etwas bringt. Mich faszinieren solche Geschichten übers Leben. Von meinem Besuch bei Bodegas Vegalfaro bleibt viel mehr zurück als nur die Erinnerung an Wein.


Weitere Informationen

Beitragsfotos 1-5 und 7: © Spaniens Weinwelten
Beitragsfoto 6: © Bodegas Vegalfaro

Bezugsquelle Caprasia und Pago de los Balagueses: vinopolis.de

Bezugsquelle Rebel.lia: riegel.de

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