Die beispiellose Viña Tondonia Rosado Gran Reserva

Haro ist so etwas wie das Baiersbronn der Weinwelt. Im legendären Eisenbahnviertel dieser Kleinstadt in Rioja Alta befinden sich in direkter Nachbarschaft so renommierte Weingüter wie Muga, La Rioja Alta, CVNE, Roda, Bilbainas, Gómez Cruzado und last, but not least R. López de Heredia Viña Tondonia. Eine derartige Dichte an Spitzenerzeugern auf weniger als einem halben Quadratkilometer findet sich weltweit wohl nur noch auf der L’ Avenue de Champagne in Épernay.

Einen Rosé wie den Viña Tondonia Rosado Gran Reserva gibt es hingegen nur einmal. Die Einzigartigkeit dieses Weins liegt sowohl im legendenhaften Ausbau als auch an der Persönlichkeit im Glas: Der Jahrgang 2010 ist betörend in seiner Eleganz, animierend in seiner Frische und bewundernswert in seiner Balance. Er ist geprägt von großer Klarheit, Feinheit und aromatischer Komplexität.

Jene, die Rosé für ein nachrangiges und langweiliges Sommergetränk halten, werden nach dem Genuss dieses rötlich-goldenen Gewächses ein völlig anderes Bild vom Genre haben: Auch Roséweine können hochanspruchsvoll und Weltklasse sein. 

Viña Tondonia Rosado Gran Reserva 2010
Viña Tondonia Rosado Gran Reserva, Jg. 2010. Eine Offenbarung.

Viña Tondonia – ein Weinberg, eine Weinreihe und ein Weingut

Das 1877 gegründete Weingut trägt den langen Namen „R. López de Heredia Viña Tondonia“. Weil viele Menschen mundfaul sind, sagen sie zumeist nur „Tondonia“. Umgangssprachlich steht der Name somit für das Weingut und für eine Weinreihe. Neben besagtem Rosé enthält die Tondonia-Linie fernerhin je zwei Rot- und Weißweine, die wiederum jeweils als Reserva und Gran Reserva klassifiziert sind. Allesamt genießen sie Kultstatus.

Darüber hinaus bezeichnet Tondonia – was nicht alle wissen, die des Spanischen nicht mächtig sind – eine Lage: „Viña“ bedeutet Weinberg, und ursprünglich war „Tondonia“ auch nur der Name eines solchen, den der Gründer Rafael López de Heredia in den Jahren 1913 bis 1914 anlegte. Da der Weinberg Tondonia im Laufe der Jahre identitätsbildend wurde, nahm ihn das Weingut im Namen mit auf.

Die Lage Tondonia erstreckt sich auf über hundert Hektar Rebfläche. Genauer betrachtet, handelt es sich um einen Pulk von Rebgärten auf 438 bis 489 Metern Meereshöhe. Im Anbau sind die für Rioja typischen Sorten Tempranillo, Garnacha, Graciano, Mazuelo, Viura und Malvasia. Für die Rosado Gran Reserva kommen Garnacha (60%), Tempranillo (30%) und die weiße Viura zum Einsatz.

Viña Tondonia ist keine einzelne Weinlage, sondern eine Gruppe von Weinbergen am rechten Ebro-Ufer, die auf über 100 ha Fläche kommen
Viña Tondonia ist keine einzelne Weinlage, sondern eine Gruppe von Weinbergen am rechten Ebro-Ufer, die auf über 100 ha Fläche kommen (Foto: © Patricia R. Soto/ICEX).

Eine Weinbereitung wie anno 1877

Nach einem Stahltank sucht man in der Kellerei vergebens. Alle Weine werden ohne Ausnahme in Eichenbottichen vergoren und in amerikanischen Barriques ausgebaut. Das Weingut betont, dass sich an den Prinzipien der Weinbereitung von der Gründung im Jahr 1877 bis heute nichts verändert hat.

Auf der Webseite von López de Heredia ist unter anderem der gesamte Prozess der Weinbereitung einwandfrei beschrieben – sogar in deutscher Sprache. Ich bin nicht nur von den Weinen aufrichtig begeistert, sondern wirklich auch von dieser Seite. Man kann darauf wie in einem guten Sachbuch schmökern, lesen und dazulernen – so interessant und detailliert sind die Rubriken zum Weingut, zur Weinerzeugung, zur eigenen Fassherstellung, zu den Weinbergen und Weinen.

Deshalb folgt nun, quasi als Intermezzo, eine Fotostrecke mit kurzen Kommentaren zur Weinbereitung. Das Wesentliche wird dabei gesagt. Für die Details kann ich, wie gesagt, den Besuch der Webseite wärmstens empfehlen.

Alle Weine werden in großen Eichenbottichen spontan vergoren. Sie sind teils über 140 Jahre alt und stammen noch aus den Gründungstagen
Alle Weine werden in großen Eichenbottichen spontan vergoren. Diese sind teils über 140 Jahre alt und stammen noch aus den Gründungstagen (Foto: © Dpto. Multimedia/ICEX).
Im 6.000 qm großen Keller liegen etwa 14.000 Barriques aus amerikanischer Eiche. Neunzig Prozent der Fässer sind zehn Jahre und älter.
Im 6.000 qm großen Keller liegen etwa 14.000 Barriques aus amerikanischer Eiche. Neunzig Prozent der Fässer sind zehn Jahre und älter (Foto: © Dpto. Multimedia/ICEX).
López de Heredia Viña Tondonia ist, soweit mir bekannt, eines von nur zwei spanischen Weingütern, die noch eine Küferei unterhalten.
López de Heredia Viña Tondonia ist, soweit mir bekannt, eines von nur zwei spanischen Weingütern, die noch eine eigene Küferei unterhalten (Foto: © Dpto. Multimedia/ICEX).
In der Ruhe liegt die Kraft: Alle Tondonia-Weine durchlaufen ein vier- bis zehnjähriges Flaschenlager, bevor sie in den Verkauf gehen.
In der Ruhe liegt die Kraft: Alle Tondonia-Weine durchlaufen ein vier- bis zehnjähriges Flaschenlager, bevor sie in den Verkauf gehen (Foto: © Fernando Briones/ICEX).

Viña Tondonia Rosado: neun Jahre in Barrique und Flasche

Die Reifezeiten der Tondonia-Weine sind legendär. Nehmen wir zum Beispiel den Weißwein (!) Viña Tondonia Blanco Gran Reserva: Dieser wird neuneinhalb Jahre in amerikanischen Barriques ausgebaut, dabei zweimal im Jahr umgezogen und vor dem Abfüllen mit frischem Eiweiß geklärt (allerdings nicht gefiltert). Danach erhält der Wein weitere neuneinhalb Jahre Flaschenlager. Den aktuellen Jahrgang 2001 hat Luis Gutierrez mit 99 Parker-Punkten gewürdigt.

Der eingangs beschriebene 2010 Viña Tondonia Rosado Gran Reserva sprengt für einen Rosé ebenfalls alle Maßstäbe: Er kommt auf viereinhalb Jahre Barrique und weitere viereinhalb Jahre Flaschenlager. Gleichermaßen wird er zweimal im Jahr umgezogen, mit Eiweiß geklärt und nicht gefiltert. Das Magazin Wine Advocate bescheinigt ihm eine optimale Trinkreife bis ins Jahr 2035. So alt wird die zweite Flasche, die ich noch im Keller liegen habe, definitiv nicht.

Übrigens: Trotz dieses elend langen Barriqueausbaus treten die Holznoten in den Tondonia-Weinen überhaupt nicht dominant auf. Langer Holzkontakt bedeutet nämlich nicht automatisch viel Holzgeschmack. Weine mit sechs Monaten Barrique schmecken oftmals „holziger“ als welche mit 36 Monaten oder mehr. Mit der Zeit scheinen Holz und Wein eine Symbiose einzugehen. Bei Tondonia trägt dazu sicher auch der Umstand bei, dass nur zehn Prozent neue Fässer zum Einsatz kommen. Fünfzig Prozent der Barriques sind zehn Jahre alt und vierzig Prozent nochmals älter.

Tondonia und die Frage: Was ist modern, was Tradition?

Ein spanischer Weinkritiker hat einmal geschrieben López de Heredia Viña Tondonia wären die „Traditionalisten unter den Traditionalisten in Rioja“. Er meinte das überhaupt nicht negativ, sondern schrieb das in einem anerkennenden Ton.

Bezogen auf die Weinbereitung ist diese Aussage einerseits richtig: Während andere Erzeuger in Rioja auf neue französische Barriques umsteigen und bei ihren Weinen auf kürzere Ausbau- und dafür längere Maischestandzeiten setzen, blieb und bleibt bei López de Heredia alles beim Alten. Die Tondonia-Weine sind Originale ohnegleichen.

Darüber hinaus ist das Weingut nach wie vor in Familienbesitz. Der Betrieb wird heute von der Urenkelin des Gründers, Maria José Lopez de Heredia, geführt. Ihr Festhalten an den überlieferten Traditionen der Weinerzeugung geschieht nicht aus Starrsinn, sondern aus Überzeugung. Es basiert auf dem Glauben, dass die alten Methoden nach wie vor Gültigkeit haben. Im Resultat geben ihr die Top-Qualitäten und der einzigartige Charakter und Charme der Tondonia-Weine recht.

Andererseits ist die Aussage des Kritikers nicht ganz korrekt: Denn es ist nicht so, dass sich López de Heredia der Moderne verweigert. Man schaue sich nur den Neubau der Architektin Zaha Hadid auf dem Weingutsgelände an. Niemand der einzig auf Tradition fixiert ist, würde so einen Bau in Auftrag geben. Mit der modernen Hülle, die einem Dekanter nachempfunden ist, und einem Verkaufsstand von 1910 im Innern schlägt er eine Brücke zwischen alt und neu.

2002 wurde die Boutique der Architektin Zaha Hadid eingeweiht. Im Innern enthält der Besucherpavillon einen Verkaufsstand von 1910
2002 wurde die Boutique der Architektin Zaha Hadid eingeweiht. Im Innern enthält der Besucherpavillon einen Verkaufsstand von 1910 (Foto: © Dpto. Multimedia/ICEX).

„Tradition“, schreibt das Weingut auf seiner Webseite, „ist für uns nicht Unbeweglichkeit und Widerstand gegen Änderungen.“ Stattdessen definiert López de Heredia Viña Tondonia die Tradition als ein dynamisches und ästhetisches Wirken, das in der „Weiterführung bewährter Prinzipien und Kriterien“ besteht.

Das mag konservativ klingen, ist letztlich aber nur konsequent. Schaut man sich die derzeitigen Back-to-the-roots-Bewegungen in der Weinwelt an, dann sind die „altmodischen“ Tondonia-Weine vielleicht sogar schon wieder hochmodern.


Weitere Informationen

Bezugsquelle, u.a.: gute-weine.de

PS: Neben der Tondonia-Weinlinie keltert López de Heredia auch Gewächse aus den Lagen Viña Bosconia, Viña Cubillo und Viña Gravonia. Die Weine tragen ebenfalls die Namen der Weinberge.

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