Soto Manrique – Driving Over Schlaglöcher

Jesus Soto, Soto Manrique, Gredos

Mit Jesús Maria Soto, den alle „Chuchi“ nennen, steige ich in einen Allradwagen, den wir im Laufe des Tages noch gut gebrauchen werden. Vom 3000-Seelen-Dorf Cebreros fahren wir eine kurvige Straße hinauf in die Gredos-Berge. „Früher war hier alles voller Weinreben“, erzählt Jesús auf dem Weg. „Die Bauern von Cebreros haben im Jahr 15 Millionen Kilo Trauben geerntet. Heute sind es weniger als eine Million.“ Ich frage nach der Ursache für diesen Schwund und Jesús erklärt, dass die Winzer kaum mehr Geld für ihre Trauben bekommen hätten. Bei 20 Cent für ein Kilo lohne sich die Arbeit nicht, da in den Bergen jede Tätigkeit mühsam von Hand verrichtet werde. In der Folge wurden etwa ab 1985 immer mehr Weinberge verlassen oder herausgerissen.

Unsere Fahrt endet fürs Erste auf 1080 Metern Höhe. Wir steigen aus, um die 1,3 Hektar große Lage Alto de la Estrella zu besichtigen. Der frisch gepflügte Boden ist mit Schiefer- und Quartzsteinen übersät, was untypisch für die Sierra de Gredos ist. „Dieser Weinberg gehörte früher zur Kooperative. Es ist fast ein Wunder, dass es ihn noch gibt“, kommentiert Jesús und erzählt mir die Geschichte des Weinbauern Julian.

Jesus Soto in Lage Alto de la Estrella
Jesús Soto in der 1,3 Ha großen Lage Alto de la Estrella auf 1080 m Höhe mit alten Garnacha-Reben.

Julian heißt der frühere Inhaber des Weinbergs. Er war 85 Jahre alt, als er aus gesundheitlichen Gründen gezwungen war die Lage abzugeben. Davor arbeite er täglich im Weinberg. Julian gab stets alle Trauben an die Kooperative, welche sie mit dem Lesegut von hunderten anderen Weinlagen vermischte. Finanziell hat sich die Arbeit bei den extrem niedrigen Traubenpreisen ebenfalls nicht gelohnt. Trotzdem hörte Julian nicht auf den Weinberg zu bestellen, weil er ihn von seinem Schwiegervater bereits in jungen Jahren übernahm. Nach dem Tod seiner Frau bekam der Weinberg eine besondere emotionale Bedeutung für ihn. Er wollte ihn nicht aufgeben und bearbeitete ihn so lange wie er nur konnte.

Als es körperlich nicht mehr ging, verkaufte Julian den Weinberg an Jesús Soto, der ihm versprach sich gut um die Lage zu kümmern und einen Wein einzig aus diesem Plot zu keltern. Als der erste Jahrgang 2018 von Alto de la Estrella abgefüllt war, schickte Jesús Soto eine Flasche des Gewächses an Julian. Mit 86 Jahren, nachdem er sich sechzig Jahre um diese Parzelle gekümmert hat, trank er das erste Mal einen Wein aus „seinem“ Weinberg. Julians Sohn schickte Jesús ein Foto von dem alten Mann mit der Weinflasche von Alto de la Estrella in der Hand. Im Handel gibt es diesen Parzellenwein für 28 Euro zu kaufen, aber eigentlich ist er so unbezahlbar wie ein Kulturerbe.

Alto de la Estrella, Schiefer- und Quartzstein
In der Regel sind die Böden in der Sierra de Gredos von Granit geprägt. In einer kleinen Zone in Cebreros finden sich dagegen vor allem Schiefer- und ebenfalls Quartzstein, wie hier in Alto de la Estrella.

Soto Manrique – Top-Lagenweine und eine örtliche Kooperative

Jesús Soto ist quasi ein Neuling in der Sierra de Gredos, obwohl er schon lange im Weinbusiness aktiv ist: In seiner Heimatstadt Valladolid war er seit den 1990ern als Händler und Distributor tätig. 2013 gründete er sein eigenes Weingut Soto Manrique, benannt nach ihm und dem Familiennamen seiner Frau. Als erstes kelterten sie einen Verdejo-Weißwein in Rueda. 

2015 kam Jesús Soto auf der Suche nach Garnacha-Trauben für seinen Top-Roséwein Naranjas Azules in die Sierra de Gredos und nach Cebreros. Er verliebte sich sofort ins Gebiet und blieb. Und wie er blieb! Seine Weine aus eigenen Lagen, die unter dem Namen Soto Manrique erscheinen, gehören bereits zur obersten Liga in Gredos. 

Darüber hinaus hat Jesús Soto das Geschäft der örtlichen Kooperative übernommen. Er bezieht Trauben – rote Garnacha und weiße Albillo Real – von den lokalen Winzern und erzeugt daraus die Weinlinien El Galayo und La Transición. Früher wurden in der Kooperative einfach alle Trauben zusammengemischt und vergoren. Der Wein wurde noch nicht einmal abgefüllt, sondern als Fassware verkauft. Jesús Soto hat dies komplett geändert. Er selektiert die Plots nun und erzeugt – wie gesagt – Weinlinien, deren Gewächse über ein erstklassiges Preis-Genuss-Verhältnis verfügen.

Durch diese Übernahme der Winzergenossenschaft greift Soto Manrique auf 250 Hektar Rebland zu. Die gesamte Appellation D.O.P Cebreros zählt 500 Hektar Weinberge. Jesús Soto ist also nicht nur einer der Besten in der Region, sondern auch der Größte. 

Bei meinem Besuch drehte sich aber alles um die Lagen- und Parzellenweine von Soto Manrique. Nach Alto de la Estrella fuhren wir zur Weinlage La Mira (der Ausblick). Auch  dieser Weinberg besteht aus Böden mit Schiefer und Quartz, ist mit alten Garnacha-Reben bestockt und befindet sich auf über 900 Metern. „Die Mischung aus Schiefer und Höhe ist fantastisch“, sagt Jesús: „In niedrigen Lagen fallen die Weine zu alkoholisch aus, weil Schiefer ein wärmerer Boden als Granit ist.“ Aber in den Hochlagen, ergänzt Jesús, zeigten jene Garnachas von den Schieferböden mehr Eleganz und Finesse, weil das Tannin im Vergleich zu Granit weicher ausfalle und so ein samtiges Mundgefühl hinterlasse. Übrigens hat das Wine-Advocate-Magazin den Lagenwein 2018 La Mira in den 100 Weinentdeckungen des Jahres 2020 aufgeführt.

Im Weinberg La Mira von Soto Manrique, Cebreros
In der Weinlage La Mira, aus welcher der gleichnamige Lagenwein entsteht.

Rekultivierung alter Weinberge, biologische Landwirtschaft und Landschaftspflege

Das wars mit den Weinlagen mit Schieferböden. Ab jetzt nur noch Granit. Als nächstes steuern wir hinunter ins Tal und in Richtung anderer Berge. Wir verlassen die Teerstraße und fahren über eine holprige Sandpiste mit Schlaglöchern, wie ich sie selten gesehen habe (und ich bin vieles aus Spanien gewöhnt). Für spanische Verhältnisse ist Gredos kein regenarmes Gebiet, und bei Niederschlägen werden Teile des Wegs weggespült.

Während alle unsere Körperteile durchgeschüttelt werden, erzählt Jesús Soto von seiner Arbeit in den Weinbergen: Viele Lagen, die er für sein Projekt Soto Manrique übernahm, waren verlassen und verwahrlost. In drei Phasen brachte und bringt er die Weinberge und Reben wieder in Schuss: Erstens geht es darum die Böden zu beleben. Jesús Soto setzt null Chemie ein, sondern arbeitet ausschließlich biologisch. Mit einer Maschine bohrte er neben den Rebstöcken sogar Löcher in den Boden und füllte sie mit natürlichem Dünger.

Zweitens bringt er die Pflanzen mit einem professionellen Rebschnitt wieder auf Vordermann. Teils litten sie unter dem fehlerhaften Beschnitt ihrer früheren Besitzer. Nun geht es beim Rebschnitt darum, dass der Saft im Stock ungehindert fließen kann und wieder alle Teile der Pflanze erreicht.

Drittens richtet Jesús Soto die alten Steinmauern und Steinhäuser wieder her, welche die Weinberge in Gredos zumeist umgeben. Die Mauern bilden einen Lebensraum für Tiere und tragen somit zur Vielfalt an Flora und Fauna bei. Jesús Soto verfolgt also einen ganzheitlichen Ansatz, der mich beeindruckt. Es geht ihm um die Herstellung einer natürlichen Umgebung und eines natürlichen Gleichgewichts. Er glaubt, dass all dies den Wein besser macht.

Wir sind in der Lage Valverde angekommen. Der daraus gewonnen Wein Las Violetas ist einer meiner Favoriten: florale Aromen, mineralisch und ein bisschen wild – genauso wie der Weinberg. Während Jesús telefoniert, laufe ich herum, schaue mir die Reben, den Boden und die Gegend an und genieße die absolute Stille. 

Weinlage Valverde. Für den Wein Las Violetas. Soto Manrique. Sierra de Gredos.
Die Lage Valverde: Granitsand, alte Garnacha, 920 m Höhe. Von hier kommt der Lagenwein Las Violetas.

„Weniger ist mehr“, sagt Jesús Soto als ich nach der Weinbereitung frage

Unser Trip geht weiter. Wir fahren zurück auf die Teerstraße und biegen dann wieder ab in die Pampa in Richtung Parzelle Las Loberas (die Wölfinnen), aus welcher Jesús den gleichnamigen Parzellenwein keltert. Was ich nicht für möglich gehalten hätte, wird die Piste sogar nochmals schlechter. Da wir nur langsam vorankommen, schneide ich das Thema Weinbereitung an. Vergärt Jesús Soto die Trauben ebenfalls mit den Stielen, wie so viele Winzer in der Sierra de Gredos? Ja, antwortet er, das mache er auch und nennt weitere Stichworte: ganze Trauben, Spontanvergärung, Einsatz von Betontanks und größeren Holzfässern sowie wenig Extraktion während der Maischestandzeit.

Gerade der letzte Punkt ist typisch für viele Weinmacher in Gredos. Sie belassen ihre Rotweine lange auf der Maische, bis zu 70 Tage, bewegen die Rotweine aber nicht. Das heißt konkret, sie verzichten auf ein Umwälzen des Weins und ein Herunterdrücken des Tresterhuts. Bei diesen Methoden würde der Wein eine dunklere Farbe und mehr Körper erhalten und zudem fruchtiger daherkommen. Aber die Winzer in Gredos sagen, dass er dabei an Finesse und Klarheit verliert. Da sie weniger extrahieren, fallen ihre Weine farblich heller, im Stil eleganter und schlanker aus. „Weniger ist mehr“, sagt Jesús Soto dazu. Er strebt nach Frische und Eleganz in seinen Weinen. Neben der entsprechenden Weinbereitung erachtet er die Hochlagen, die alten Garnacha-Reben und die Granitböden in Gredos als ideal an, um diesen Weinstil zu erhalten.

Irgendwann erreichen wir die Parzelle. Es ist Mitte April und wir sind auf 730 Metern Höhe. Las Loberas ist der am niedrigsten gelegene Weinberg von Soto Manrique, aber jener mit dem kühlsten Boden. Er besteht aus feinstem Sand – wie an einem Strand – mit vielen rosa Granitpartikeln. Die Umgebung ist ziemlich wild und auch der Weinberg sieht wild aus, da er noch nicht gepflügt ist und die Gräser hoch stehen. An den Reben erkenne ich erste Triebe, während in den Lagen auf über 900 und 1000 Metern noch keine Austriebe zu sehen waren. Der Hang ist außerdem nach Süden ausgerichtet, und deshalb hat der Parzellenwein Las Loberas vielleicht den mediterransten Charakter aller Weine von Soto Manrique.

Las Loberas, Cebreros, Gredos
Las Loberas, rosa Granitsand, 730 m Höhe, Ausrichtung nach Süden.

Gleiches Gebiet, gleiche Rebsorte, individuelle Weine

Wir sind bereits drei Stunden unterwegs und machen uns nun auf den Rückweg in Richtung Kellerei – ein in den 1950ern von einem deutschen Architekten errichtetes Gebäude, das zur Kooperative von Cebreros gehört. Wir wechseln das Thema, und ich erzähle Jesús Soto ein bisschen über mein Leben an den südlichen Ausläufern der Sierra Nevada, in einer Region, die sich Alpujarra nennt. Jesús entgegnet, dass er meine Gegend aus einem sehr witzigen Buch kenne. „Wie heißt der Autor noch gleich?“ fragt er sich selbst. „Ich weiß genau, wen du meinst“, sage ich: „Du meinst Chris Stewart.“ – „Ja genau“, schießt es aus Jesús heraus, „das Buch ist wirklich großartig, ich hätte nicht gedacht, dass es ein solches Leben in Spanien noch gibt.“

Chris Stewart war in ganz jungen Jahren kurz Drummer der Band Genesis. Er kam dann in den 1980ern nach Andalusien in die Alpujarra, um in einem abgelegenen Grundstück das einfache Landleben zu leben. Er schrieb über sein Dasein und landete so den Bestseller „Driving Over Lemons„, mit dem er in der englischsprachigen Welt und ebenfalls in Spanien berühmt wurde. Ich kenne Chris Stewart gut, da ich für ihn und seine Wandergruppen – die ihn aus den USA und Großbritannien in der Alpujarra besuchen – regelmäßig Weindegustationen abhalte.

Auch Soto Manrique ist in diesen Tastings häufig vertreten, mal mit Las Violetas, mal mit dem Wein La Cruz Verde, dessen Lage wir abschließend besuchen. Wieder sind es alte Garnacha-Reben, Granitsandböden und Hochlage. Es ist wirklich faszinierend, dass Soto Manrique am selben Ort und mit der selben Rebe derart unterschiedliche und individuelle Rotweine erzeugen kann. Dies hat freilich mit dem eigenen Charakter eines jeden Weinbergs und mit der Rebsorte zu tun. „Die Garnacha ist empfindsam“, erklärt Jesús: „Sie passt sich einem Terroir an und drückt es hervorragend aus. In Gredos ergibt die Garnacha ganz andere Weine als in Aragon oder im Priorat.“

In der Weinlage La Cruz Verde auf 770 m Höhe. Soto Manrique.
In der Weinlage La Cruz Verde auf 770 m Höhe.

Die Zukunft liegt auf 1200 Metern

In nur sechs Jahren in Gredos hat Jesús Soto mit seinem Projekt Soto Manrique viel erreicht. Er gehört heute zu den besten und wichtigsten Erzeugern der Appellation D.O.P Cebreros, die sich im kastilisch-leonesischen Teil der Sierra de Gredos befindet. Als wir den Tag unterwegs waren, zeigte mir Jesús ein ungenutztes Stück Land auf 1200 Metern Höhe. Er hat es gekauft, um darauf neue Weinberge zu pflanzen. Die Böden und die das Gelände einfassenden Steinmauern richtet er bereits her. Zudem nimmt er DNA-Analysen aus seinen alten Garnacha-Weinbergen. Aus jenen Reben mit dem besten DNA-Profil wird er Stecklinge heranziehen und diese dann pflanzen. Wenn ich in fünf Jahren wiederkomme – wir haben uns bereits verabredet – wird es also Neues zu sehen und erzählen geben. Bis dahin überbrücke ich die Zeit mit seinen famosen Weinen und der Erinnerung an einen großartigen Tag in tristen Corona-Zeiten.


Weitere Infos:

Bezugsquelle, DE: www.vinomonte-shop.de

Alle Fotos: © Spaniens Weinwelten

1 Kommentar

  1. Schöne Reportage. Vor 2 Jahren auf der Barcelona Weinwoche habe ich einige Weine von Soto Manrique probiert: La viña de ayer; La Cruz Verde and Las Violettas. Damals wollte ich hauptsächlich etwas mehr über diese Sierra de Gredos and its diversen DO’s erfahren, habe einige gute Weine gehabt aber ich fürchte dass ich am Ende ich viel zu schnell durchgerannt bin. Die Peñín Punkte zeigen, dass Jesús Soto tatsächlich ein gewaltiger Sprung nach oben geleistet hat, und ich glaube, dass eine Vertiefung notwendig wäre.

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