Nun, wo alle Weingutsbesuche, Messen und Gruppenreisen bis auf Weiteres abgesagt sind, bleibt Zeit zurück zu blicken. Ich schaue auf Andalusien, das Land des Lichts, welches mir in den vergangenen Jahren so viel Freude und neue (Wein-)Freunde geschenkt hat. Einige stelle ich im Folgenden vor. Kommen Sie mit auf eine kleine Zeitreise zu Winzern und Winzerinnen, die ich nicht nur aufgrund ihrer Weine schätze. Ein persönlicher Rückblick.

Januar 2017 – Bodega F. Schatz & Descalzos Viejos
Andalusien kann viel kälter sein, als man das in Deutschland gemeinhin annimmt. Das war im Januar 2017 der Fall, als ich mit meiner Familie die Serrania de Ronda besuchte. Wir trafen dort den Winzer Friedrich Schatz. Als junger Mann kam er in den 1980er-Jahren aus dem schwäbischen Remstal nach Ronda und entwickelte sich zum Pionier des dortigen Weinanbaus. Sogar Sorten wie Lemberger und Muskattrollinger kultiviert er nach biodynamischen Kriterien. Weiteres erfahren Sie im damaligen Beitrag.

Am selben Tag schauten wir bei Descalzos Viejos vorbei. 1998 erstanden die Architekten Flavio Salesi und Paco Retamero das Grundstück eines verlassenen Klosters aus dem 16. Jahrhundert. Mit viel Liebe und Geschmack haben sie den Ort behutsam restauriert und zu einem Weingut umfunktioniert. Die alte Klosterkirche mit den Fresken der Heiligen St. Rufina und St. Iusta dient dabei als Weinkeller. Es ist ein außergewöhnlicher und erhabener Raum. Mehr über das Weingut und die Weine steht in diesem Blogbeitrag.

Februar 2020 – Vinos Jarel
Vinos Jarel besuche ich regelmäßig. Zuletzt im Februar 2020. Auch dieses Mal war ich mit der Familie unterwegs. Allerdings nicht mehr zu dritt, sondern zu viert. Sofía kam 2018 in Granada zur Welt. Und Andreas – im Bildhintergrund zu sehen – ist im Vergleich zu Ronda vor drei Jahren ganz schön gewachsen. Das Familienweingut befindet sich in der Axarquia. Bei Vinos Jarel entstand im Jahr 2000 der erste trocken ausgebaute Moscatel der D.O. Sierras de Málaga. Mehr darüber in diesem Text.

März 2018 – Bodegas Bentomiz
Die Niederländerin Clara Verheij ist mit ihrem Weingut Bentomiz ebenfalls in der Axarquia ansässig. „Ich mache genau die Weine, wie sie mir schmecken“, sagt sie. Im Resultat sind das frische Weiß-, Rosé- und Rotweine mit Persönlichkeit. Unübertroffen sind dabei Claras’ ungespritete natürliche Süßweine aus der autochthonen Rebsorte Moscatel de Alejandría. Schon oft habe ich die Gewächse zur formidablen Küche ihres Partners André Both genossen. Er betreibt das zum Weingut gehörende Restaurant. Weiteres können Sie in diesem Artikel lesen.

April 2017 – Barranco Oscuro
Manuel Valenzuela gilt als Spaniens erster Naturweinmacher. “Ich habe hier viel gute Luft und wenig Wasser”, sagt er schmunzelnd über seine Hochlagen in der Sierra de la Contraviesa. Der heute 77-jährige sieht im Wein ein Naturprodukt, das aufs Engste mit dem Land verbunden ist. Nach dieser Prämisse handelt er als Winzer seit nunmehr 41 Jahren. Manuel Valenzuela ist ein Pionier im biologischen Weinanbau und in der Bereitung von Naturweinen. Mehr über ihn in diesem Beitrag.

Mai 2019 – Bodegas Dimobe
Zu meinen andalusischen Weinfreunden zähle ich ferner den Peter Stuckwisch aus Nordrhein-Westfalen. Peter besucht mehrmals im Jahr den Küstenort Nerja. Inzwischen hat es sich so eingependelt, dass wir dann immer eine gemeinsame Weintour unternehmen. Eine solche führte uns zum Weingut Dimobe, das neben spektakulären Weinlagen mit einem 30 Jahre alten PX sowie mit einem trockenen, in alten Brandy-Fudern ausgebauten Moscatel zu überzeugen wusste. Den Beitrag gibt es hier.

Juni 2017 – Los Barrancos & Bodega Palomillo
Das Foto unten täuscht. An jenem Junitag war es um die 40 Grad heiß. Beim Besuch unserer Freunde Peter Hilgard und Isabel del Olmo vom Weingut Los Barrancos erlebten wir ein spezielles Wetterphänomen der Sierra de la Contraviesa. Vom nahen Mittelmeer zogen Tauschwaden die Hänge herauf und ließen sich auf den Weinbergen nieder. Diese kühlende Feuchtigkeit entstresst die Reben während langer Hitzephasen. Von „nördlich kühlen Weinen aus dem äußersten Süden Europas“ schreibt übrigens der Kritiker José Peñin in Bezug auf die Weine von Los Barrancos. Hierzu der Artikel.

Auf Tau braucht Francisco García gar nicht erst zu hoffen. Sein Weingut Palomillo befindet sich in Almeria, an der Grenze zu Murcia, wo ich ihn im Juni 2017 besucht habe. Almeria ist die trockenste Provinz im trockenen Andalusien. Die Steigerung von trocken ist furztrocken. Francisco lässt sich die Laune davon nicht verderben. Und seine Weine sind erstaunlich gut. Ein Grund: Das Weingut liegt auf etwa 1000 m Höhe. Das sorgt zumindest für Abkühlung in den Nächten, was den Reben gut tut. Mehr dazu in diesem Beitrag.

Juli 2019 – Victoria Ordoñez
Victoria Ordoñez ist die (noch) ungekrönte Weißweinkönigin Spaniens. Zum Geburtstag meiner Frau öffnete ich neulich ihren Voladeros 2017. Das ist ein trocken ausgebauter, hochfeiner PX, den sie aus alten Reben in den Montes de Málaga gewinnt. Mein sieben Jahre alter Sohn Andreas darf natürlich keinen Wein trinken. Ab und zu will er aber am Glas riechen: „Ich habe noch nie einen besseren Wein gerochen“, lautete sein Urteil. Keine Frage, der Junge hat ein feines Näschen und versteht was von Wein. Mehr über Victoria Ordoñez in diesem Text.

August 2017 – Rambla Huarea
Im Niemandsland zwischen Granada und Almeria liegt in einem ausgetrockneten Flusstal das Weingut Rambla Huarea. Winzer Miguel Maldonado ist hier aufgewachsen. Heute ist die Gegend menschenleer, die einstigen Bewohner sind alle zu den Städten an der Küste weggezogen. Zu Miguels Weinernte im August kommen sie zurück, und dann bin ich ebenfalls als Helfer mit dabei. Wir quälen uns einen Tag lang in der Hitze und werden dafür am Nachmittag mit einer Paella belohnt. Was für ein Fest.

Auf dem Foto unten ist Rosa Pascual zu sehen. Sie ist Önologin, unter anderem bei Rambla Huarea, und eine Freundin von mir. Über sie habe ich Miguel Maldonado und sein Weingut kennengelernt. Rosa kniet vor einer PX-Rebe und zeigt mir im Folgenden, wie sie den richtigen Lesezeitpunkt bestimmt. Dazu muss sie die alkoholische und phenolische Reife der Beeren überprüfen. Wenn Sie ebenfalls sehen und lesen wollen wie das funktioniert, dann klicken Sie bitte diesen Beitrag.

September 2019 – Viñedos Verticales
Die Rotweinsorte Romé existiert ausschließlich in der D.O. Sierras de Málaga, und dies nur auf wenigen Hektar. Winzer Vicente Inat hat uns zu einem solchen Romé-Weinberg in der Axarquia geführt. Vicente ist übrigens der Önologe von Descalzos Viejos in Ronda (dieses Weingut habe ich zuvor schon vorgestellt). Hierbei handelt es sich allerdings um sein persönliches Weinprojekt Viñedos Verticales. Die Rot- und Weißweine gehören zum Spannendsten, was Andalusien derzeit zu bieten hat. Mehr Infos an dieser Stelle.

Oktober 2018 – Juan Esteban Vino de Costa
Juan Esteban kam in Düsseldorf zur Welt. Sein Vater war Gastarbeiter. Heute ist Juan Bauarbeiter. Das Haus, in dem ich in der Sierra Nevada lebe, hat er vor fünf Jahren saniert. Außerdem besitzt Juan drei Hektar Weinberge. Es sind alte Mischsätze mit autochthonen Reben wie Jaén Blanco, Jaén Negro, Vijiriega und Montua. Jedes Jahr im Oktober helfe ich ihm bei der Ernte. Aus dem Lesegut keltert Juan den für die Region typischen Vino de Costa. Etwas über jenen Rosado-Stil steht in diesem Beitrag.

November 2017 – Garcia de Verdevique
Kein Weingut habe ich häufiger besucht als Garcia de Verdevique. Mit Vater Antonio und Sohn Alberto Garcia sind wir inzwischen als Familie befreundet und werden auch schon mal zum jährlichen Schlachtfest, der Matanza, eingeladen. Folgende Stichworte dürften genügen, um zu erklären, warum ich von diesem Weingut in der Sierra de la Contraviesa so fasziniert bin: Naturweine | Weinberge auf bis zu 1350 m Höhe | Bis zu 120 Jahre alte Reben | Anbau autochthoner Sorten wie Vijiriega und Jaén Negro | Schieferböden | Steillagen, die mit Pferden gepflügt werden | Mehr Infos hält dieser Artikel bereit.

Dezember 2018 – Bodegas Fontedei
Nördlich von Granada tut sich eine von Olivenhainen geprägte Landschaft auf. Andalusien ist mit 150 Millionen Bäumen das größte Olivenanbaugebiet der Welt. Als „gekämmtes Land“ beschreibt der Dichter Antonio Machado diese Landschaft, in der sich die Olivenbäume in feinsäuberlichen Reihen scheinbar endlos über die Hügel ziehen. Ein bisschen Wein wird ebenfalls angebaut: Mit Winzer Antonio López von Bodegas Fontedei waren wir in einem alten Garnacha-Weinberg. Hier der Beitrag.

Kein Andalusien ohne Sherry: Delgado Zuleta
Irgendwie konnte ich Sanlúcar de Barrameda nicht in der Jahreschronik unterbringen. Aber mal im Ernst: Andalusien ohne Sherry? Das geht nicht. Gewiss, es ist beileibe nicht mehr so, dass Sherry alles dominieren würde. Trinkgewohnheiten ändern sich. Aus den „Sherry-Trauben“ Palomino Fino und Pedro Ximénez (PX) entstehen mittlerweile wunderbar frische und elegante Weißweine. Trotzdem: Ohne Sherry wäre Andalusien ein ganzes Stück ärmer. Das beginnt bereits mit der Architektur der Weinkellereien, die mich an eine Mischung aus Kirche und Fabrik erinnern. Den Kellereien im Sherry-Gebiet haftet etwas Sakrales und Profanes an. So wie Andalusien zugleich überbordend dramatisch und unspektakulär gewöhnlich sein kann.

Sanlúcar de Barrameda ist eine am Atlantik gelegene Kleinstadt mit Patina. Von hier kommt der berühmte Manzanilla mit den salzigen Noten. Warum dieser staubtrockene und helle Sherry so einen salzigen Touch hat, darum ranken sich Mythen. Gemeinhin wird es der steten Atlantikbrise zugeschrieben, die in Sanlucar vorherrscht. Wir waren beim traditionsreichen Erzeuger Delgado Zuleta und Pelayo Garcia zu Gast. Mehr über den Besuch im Juni 2017 und einen Bio-Manzanilla steht in diesem Beitrag.

Wo ich mich zuhause fühle
Mein Lieblingsort ist die Sierra de la Contraviesa. Nirgendwo geht es mir besser, nirgendwo fühle ich mich freier. Im Foto unten stehe ich mit meinen Kindern in einem Weinberg von Barranco Oscuro auf über 1300 Metern Meereshöhe. Im Hintergrund sehen Sie den schneebedeckten Mulhacen. Mit 3481 m ist es der höchste Gipfel des spanischen Festlands. Was Sie auf dem Foto nicht sehen können: In die andere Richtung nach Süden erblicke ich das Mittelmeer. Zwischen den Bergen der Sierra Nevada und dem Mittelmeer erstreckt sich die dünn besiedelte Alpujarra. Hier fühle ich mich gut aufgehoben.

Apropos Mittelmeer. An der Costa del Sol liegt Málaga. Die quirlige Hafenstadt ist kulturhistorisch weniger bedeutend als Cordoba und Granada, und ihre alten Viertel sind auch nicht so romantisch wie jene von Sevilla. Trotzdem ist es meine Lieblingsstadt in Andalusien. Das liegt an der weltoffenen Atmosphäre, den herzlichen Bewohnern und der emotionalen Bindung. Meine Frau Emily ist dort geboren, ihre Familie lebt dort, und ich habe in Málaga schon einiges erlebt. Ziemlich viel Gutes, auch Schlechtes. So wie das Leben eben ist.

Das waren 20 Bilder. Von „meinem Andalusien“ soll es das erst einmal gewesen sein. Nächste Woche stelle ich Ihnen das Weingut D. Mateos und dessen Weine aus der DOCa Rioja vor. Besuchen Sie also gerne wieder diesen Blog. Die Welt mag vorerst still stehen, aber das Weinland Spanien hört deswegen nicht auf zu existieren. Beste Grüße, Ihr Thomas Götz.