Bodegas Dimobe – der lange Weg nach Málaga

Mit Ignacio Garijo von Bodegas Dimobe

Gleich zu Beginn fährt uns Ignacio Garijo auf eine Bergkuppe, von der aus Peter, Kerstin und ich erkennen, was die Axarquia speziell macht: In nördlicher Richtung sehen wir den 2066 m hohen Gipfel des La Maroma. Schweift unser Blick nach Süden, liegt das Mittelmeer zu unseren Füßen. Dazwischen wächst Wein.

Ignacio ist Marketing- und Vertriebsleiter bei Bodegas Dimobe. Das Weingut, erzählt er, wurde 1927 vom Großvater des heutigen Besitzers und Weinmachers Juan Muñoz gegründet. „Uns gehören fünf Hektar Weinberge, darüber hinaus kontrollieren wir weitere 38 Hektar“, fährt er fort.

Mediterrane Berg-Wein-Welt in der Axarquia. Im Hintergrund der La Maroma.

In der Axarquia ist es völlig normal, dass selbst Top-Weingüter den Hauptteil des Leseguts von anderen Weinbauern beziehen. Besitz ist breit gestreut, und die größte Lage in dieser Subzone der D.O. Málaga kommt gerade einmal auf drei Hektar. Zumeist handelt es sich um steile Kleinstparzellen, die aufwändig von Hand bearbeitet werden.

Damit die Qualität stimmt, macht Bodegas Dimobe den Weinbauern bestimmte Vorgaben, die einen Mehraufwand bei der Arbeit im Weinberg und bei der Ernte erfordern. Dafür erhalten die Bauern für ein Kilo Lesegut bei Dimobe fast den doppelten Preis wie ihn im Vergleich die örtliche Kooperative zahlt. 

Peter, Ignacio und Kerstin im Weinberg. Dahinter das Mittelmeer.

Axarquia – alte Reben, Höhenlagen, Schieferböden

Wir schlendern ein wenig umher und begutachten die in Buscherziehung gehaltenen Reben. Typisch für die Axarquia ist es die Sorte Moscatel de Alejandría, die auf harten, schiefrigen Böden wächst. „Diese Lage ist etwas weniger steil und kann deshalb mit Maultieren gepflügt werden“, erklärt Ignacio. Der Einsatz von Traktoren ist in der Axarquia undenkbar. Zu steil und zu asymmetrisch bepflanzt sind die Hänge. Die Erträge liegen bei etwa 2000 kg pro Hektar. Das ist wenig: In fruchtbareren und einfacher zu bewirtschafteten Anbaugebieten betragen sie gut und gerne das Dreifache.

„Wie alt sind die Reben?“, frage ich Ignacio. „Dieser Weinberg ist eher jung“, antwortet er ernsthaft, „die Reben sind fünfzig bis sechzig Jahre alt“. Ich blicke zu Peter hinüber, der etwas abseits einen Rebstock fotografiert, und rufe ihm zu ob er das gehört hat. „Ja“, sagt Peter und schmunzelt dabei. „Fünfzig bis sechzig Jahre finde ich nicht wirklich jung“, sage ich zu Ignacio. Der aber erwidert: „Im Schnitt kommen die Reben in der Axarquia auf über achtzig Jahre, viele sind sogar älter als hundert Jahre“. Nun gut, wie sagt man so schön: Alter ist relativ.

Schieferböden, alte Buschreben und Hanglagen, typisch für die Axarquia

Geringe Erträge und aufwändig zu bearbeitende Steillagen sind die eine Seite. Die Axarquia hat in Sachen Weinanbau aber auch ihre Vorteile: Eine stetige Brise vom Mittelmeer ist gut für die Durchlüftung der Weinberge. Wenn es einmal geregnet hat, trocknen die Pflanzen schnell wieder. Auf den Einsatz von Fungiziden kann somit verzichtet werden. 

Darüber hinaus kühlt es nachts in den Höhenlagen auf 500 bis 1000 m.ü.NHN selbst im heißen andalusischen Sommer ab, und diese Temperaturunterschiede sind gut für die Säurebildung in den Beeren. Obwohl wir uns im südlichsten Zipfel Europas befinden, kommen Weine aus der Axarquia zumeist frisch und mit einer prima Säure daher.

„Die Trauben aus den Südhängen verwenden wir für Süßweine“, erklärt Ignacio abschließend. „Mit jenen aus den Nordhängen keltert wir die trockenen Weine.“ Ignacio zeigt dabei auf einen Nordhang weiter unten im Tal. Von diesem würde der Schaumwein Tartratos stammen. Um unter anderem jenen flaschenvergorenen Brut Nature zu verkosten, begeben wir uns in die Kellerei.

Blick vom Weinkeller in den Ort Moclinejo

Ein Weingut im Dorf

Das Weingut befindet sich mitten in Moclinejo, einem weißen andalusischen Dorf wie aus dem Bilderbuch. Beeindruckend ist die Vielfalt der erzeugten Weine: Ob staubtrockener Schaumwein, ob trockene Stillweine, ob natürliche Süßweine, ob gespritete Likörweine nach alter Málaga-Art oder Wermut: Bodegas Dimobe lässt so gut wie kein Genre aus.

Beim Gang durch die verschiedenen Keller findet sich entsprechend alles, was zur modernen und traditionellen Weinbereitung gebraucht wird: ein Kühlraum für die Kaltmazeration der Trauben, Edelstahltanks für die temperaturregulierte Gärung, alte und neue Holzfässer bzw. -Fuder für den Ausbau, eine moderne pneumatische Traubenpresse sowie eine Hydraulikpresse aus den 1930er-Jahren, mit der die Beeren für Süßweine zwischen Strohmatten gequetscht werden. Je nach Wein kommen verschiedene Verfahren und Techniken zum Einsatz.

Peter Stuckwisch von weinding.de im Keller bei Bodegas Dimobe

Einschub: Málaga für Beginner

Bevor ich mich den Gewächsen von Bodegas Dimobe zuwende, sei eine kurze Einführung erlaubt: Für Ortsunkundige und Touristen, selbst wenn es Weinliebhaber sind, ist so manches am Weinanbau in der Provinz Málaga verwirrend.

Teil 1: Es gibt in Málaga zwei DO-Gebiete, die exakt die geografisch selbe Fläche abdecken: Mit dem Qualitäts- und Herkunftssiegel „D.O. Sierras de Málaga“ werden die trocken ausgebauten Weine klassifiziert. In der „D.O. Málaga“ versammeln sich alle Süßweine bzw. jene trockene Weine, die mit Weingeist angereichert (gespritet) sind.

Teil 2: Es gibt zwei Süßwein-Kategorien: Als „Naturalmente Dulce“ werden natürliche Süßweine bezeichnet; das sind fruchtsüße Weine, die nicht gespritet sind. Als „Dulce Natural“ firmieren wiederum die traditionellen, gespriteten Likörweine, für die Málaga im 18. und 19. Jahrhundert weltweit berühmt war. Bevor die Reblaus 1878 in Málaga auftrat und in der Folge praktisch alle 113.000 (!) Hektar Weinberge in der Provinz vernichtete, stand der Málagawein auf einer Stufe mit Sherry, Port und Madeira.

Beeren werden zwischen solchen Matten geschichtet und gepresst

Dimobe – Moscatel und PX vom feinsten

Málaga hat also eine große und lange Weingeschichte, die glücklicherweise von einigen Erzeugern wieder belebt und neu interpretiert wird. Aufregend und anspruchsvoll sind zum Beispiel die Gewächse von Viñedos Verticales. Hierbei handelt es sich um ein Co-Projekt von Dimobe-Inhaber Juan Muñoz und dem Weinmacher Vicente Inat (u. a. Önologe bei Descalzos Viejos). Die Weinbereitung findet im Keller von Bodegas Dimobe statt.

Spannend ist der Weißwein Filitas y Lutitas 2016 aus 90% Moscatel und 10% Pedro Ximénez (PX). Das trockene Gewächs wird in über hundert Jahre alten, 3300 Liter fassenden Brandy-Fudern vergoren und darin für weitere zehn Monate auf der Feinhefe ausgebaut. Der Wein zeigt Grip und Komplexität: Die zartfruchtigen Aromen stammen von der Moscatel, das würzige Finish von der PX, und durch den Ausbau im Fuder und auf der Feinhefe erhält er eine seidige, vielschichtige Textur. 

Aufregender Weißwein aus Moscatel und PX: Filitas y Lutitas 2016 von Viñedos Verticales

Unsere Verkostung der Dimobe-Weine beginnt mit dem flaschenvergorenen Schaumwein Tartratos 2015, sortenrein aus Moscatel de Alejandría gekeltert. Mit weniger als 2 g/l Restzucker fällt er in die Kategorie Brut Nature, was Peter schon einmal hoffnungsvoll stimmt. Zurecht: Dank eines langen Hefelagers von dreißig Monaten zeigt dieser Schaumwein eine prima Balance: Er ist „crispy“ und „airy“, vollmundig und animierend. Hinzu kommt eine feine Aromatik, die an weiße Früchte erinnert. Ein derartiger Schaumwein ist für Málaga höchstselten, bzw. ich kenne keinen Zweiten in dieser Kategorie.

Wir wechseln das Metier: Für den natürlichen Süßwein Piamater 2016 werden die Trauben vollreif gelesen, anschließend im Freien ausgelegt und für mehrere Tage in der Sonne getrocknet. Auf diese Weise verlieren die Beeren an Flüssigkeit und gewinnen parallel an Zuckerkonzentration. Die Säure bleibt erhalten. Mit diesem Jahrhunderte alten, „Asoleo“ genannten Verfahren werden in Andalusien auch Rosinen erzeugt. Wie es genau funktioniert, habe ich einmal ausführlich in diesem Beitrag beschrieben.

Dank einer prima Säure von 6,3 g/l schmeckt der Piamater 2016 sehr frisch. Wie es sich für einen Süßwein aus Moscatel de Alejandría gehört, ist er hocharomatisch. Honig und Rosinen sind erkennbar. Ein angenehm bitterer Quittengeschmack setzt im Abgang den feinen Kontrastpunkt.

Beachtung verdient der natürliche Süßwein Piamater 2016.

Die Krönung unserer Degustation ist der Arcos de Moclinejo Pedro Ximénez Trasañejo Dulce. Die D.O. Málaga besitzt ein ganz eigenes Weinvokabular: „Trasañejo“ bedeutet, dass ein Wein mindestens fünf Jahre in Fässern reift. In unserem Fall ist es ein PX, der sogar über dreißig Jahre alt ist. Jeder Flasche dieses Weins liegt ein amtliches Siegel der Regierung von Andalusien bei, in dem eben die Echtheit und das Alter von über dreißig Jahren bestätigt wird (siehe Foto unten).

Mit dem Stechheber kredenzt uns Ignacio eine Fassprobe. Der Arcos de Moclinejo wurde im Jahr 1974 angelegt und ist im mehrstufigen Solera-System – wie wir es aus dem Sherry-Gebiet kennen – ausgebaut. Nur ein geringer Teil des Weins wird aus der untersten Fassreihe entnommen. Mit dem Wein aus der darüber liegenden Fassreihe wird die unterste Reihe wieder aufgefüllt. So entsteht ein Verschnitt aus älteren und jüngeren Jahrgängen. Das Durchschnittsalter wird bei über dreißig Jahren gehalten.

Fabelhaft ist die Weichheit und Frische jenes Süßweins. Zudem definiert er sich für mein Empfinden nicht nur durch das, was er ist, sondern auch dadurch, was er nicht ist: Im Gegensatz zu vielen PX dieser Gattung (mit bis zu 500 g/l Restzucker) ist er nicht sirupartig süß und nicht zähflüssig. Anstelle liegt der Arcos de Moclinejo bei etwa 180 g/l Restzucker und besitzt eine elegante ölige Textur. Das ist „kein Dessertwein“, wie Ignacio zurecht sagt, das ist kein Begleiter, sondern ein Wein mit Tiefgang, der allein für sich spricht und hohen Genuss bietet.

Amtliches Siegel, das jeder Flasche Arcos de Moclinejo PX Trasañejo beiliegt.

Wenn es am schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören. Da wir nicht alle 23 Dimobe-Weine verkosten können, gibt mir Ignacio großzügig ein Paket mit auf den Weg. Zuhause in der Alpujarra – der benachbarten Schwester der Axarquia – probiere ich die Weine in den folgenden Tagen.

Hervorragend gefällt mir der Pajarete, ein Verschnitt aus Moscatel und PX. „Pajarete“ ist ebenfalls ein spezifischer Málaga-Begriff: Gemeint ist ein gespriteter Likörwein mit einem Restzuckergehalt zwischen 45 und 140 g/l, der einer Mindestalterung von zwei Jahren unterzogen wird. Darüber hinaus darf einem Pajarete kein Konzentrat (das sogenannte Arrope) zugeführt werden, welches weiter an Süße und dunkler Farbe verleihen würde.

Bei Bodegas Dimobe reift der Pajarete für fünf Jahre in Fässern aus amerikanischer Eiche. Im Glas schimmert er Bernsteinfarben, in der Nase nehme ich Karamell, Walnüsse und getrocknete Früchte wahr. Diese Eindrücke setzen sich am Gaumen fort, und getragen wird der Wein von einer frischen Säure.

Ob schäumend oder still, ob trocken oder süß: Dimobe macht Spass.
PS: Der trockene Rotwein El Camaleón ist von Viñedos Verticales. In der Bildmitte der herausragende Arcos de Moclinejo Trasañejo Dulce, ein über 30 Jahre alter PX.

Eine ungewöhnliche Mischung aus Schwarzer Johannisbeere, reifen Holunderbeeren und Gemüse wie wildem Fenchel und gekochtem Grünen Spargel rieche und schmecke ich im natürlichen Süßwein El Lagar del Zar. Anfangs bin ich ob dieser Kombination etwas verwirrt, weil mir Ähnliches noch nicht begegnet ist. Mit mehreren Schlucken kehrt sich mein Misstrauen in Interesse um. Dieser rote Naturalmente Dulce (nicht zu süß und knackig frisch) ist heftig trinkanimierend. Ein Süßwein, der auch zu einem kräftigen Fleischgericht passen könnte. Gekeltert ist er aus Tempranillo, Syrah sowie den autochthonen Rebsorten Romé und Melonera.


Trasañejo, Pajarete, Dulce Natural, Naturalmente Dulce, Asoleo, Arrope, Lagrima, Lacrimae Christi, Noble, Dorado, Oscuro, Vino Maestro, Vino Tierno, …

Bis ich den „Vino de Málaga“ ganz verstehe, ist es noch ein langer Weg. Dank Ignacio Garijo und Bodegas Dimobe ist er ein wenig kürzer geworden.

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