Parker, Corpinnat und zwei Siegerinnen

Tasting mit Corpinnat, Rafael Cambra, Bierzo

Der Sommer zieht sich in Spanien bis weit in den September hinein. Nichtsdestotrotz feierten Emily und ich mit sieben Freunden bereits das „Ende des Sommers“. Und zwar mit einem Tasting auf unsrer Terrasse, das zwei Gewinnerinnen hervorbrachte.

Unsere Freunde kommen aus Granada, Sevilla und Madrid. Soweit möglich verbringen sie Juli und August in den vergleichsweise kühleren Alpujarra-Bergen. In den dortigen Dörfern mit einer Höhenlage von 1.000 bis 1.500 Metern kühlt es immerhin nachts ab, so dass der Sommer nicht ganz so unerträglich heiß ausfällt wie in den Großstädten Süd- und Zentralspaniens.

Ende August kehren unsere Freunde mit ihren Kindern dann in die Städte zurück. Die Arbeit und Schule rufen. Für mich beginnt dann auch wieder die Reisezeit: Diesen Herbst werde ich etwa in Deutschland sowie in diversen portugiesischen und spanischen Weinregionen unterwegs sein, worüber ich freilich auf diesem Blog und in anderen Medien berichten werde und mich schon darauf freue.

Zehn Weine: End-of-Summer-Tasting
Stoff aus Deutschland, Spanien und Portugal

Zuerst aber fand das Tasting statt. Diesmal hatte ich zehn Weine ausgewählt und begleitend ein Weinquiz mit zehn ziemlich knackigen Fragen vorbereitet. Meine Frau Emily – sichtlich gut gelaunt auf dem Titelfoto oben links – war am Ende des Abends mit den meisten richtig angekreuzten Antworten die Siegerin. Den Siegerpreis – eine Flasche unseres Olivenöls und eine Keramik aus der Werkstatt meines Schwiegervaters – erhielt allerdings Marta als Zweiplatzierte (wir beschenken uns ja nicht selbst). Sergio bekam als Dritter auch noch ein Fläschchen unseres Öls ab.

Zwei Argentinier mit einer tiptop Mencía

Auf dem Titelfoto in der Hand hält Sergio allerdings seinen Lieblingswein des Abends: En el Camino 2019 stammt vom argentinischen Winzerpaar Andrea Mufatto und Gerardo Michelini. Ihr Weingut Michelini i Mufatto befindet sich Anbaugebiet D.O. Bierzo im Nordwesten von Spanien. Was die beiden hier in die Flasche gebracht haben, ist ein eleganter, ausdrucksstarker und saftiger Rotwein aus der Mencía-Traube. Parker-Kritiker Luis Gutierrez schreibt völlig zurecht, dass dieses Gewächs im Stil „irgendwo zwischen nördlicher Rhone und Burgund“ anzusiedeln ist.

Typisch für die neue Winzergeneration des Bierzo vergärten Michelini i Mufatto den Wein (teilweise) mit den Rappen, in diesem Fall sind es dreißig Prozent der Trauben. Der weitere Ausbau fand in alten Holzfässern (Eiche und Kastanie), in Stahltanks und Amphoren statt. Der Verzicht auf kleine und neue Barriques ist sicherlich ein Merkmal im sogenannten Neuen Spanien. In diesem Beitrag erkläre ich ausführlich, was man unter dem Begriff verstehen kann. Michelini i Mufatto ist jedenfalls ein Name den man sich merken darf. Tiptop Weine. Wie man das Anbaugebiet Bierzo generell beachten sollte. In Deutschland noch weitgehend unbekannt, gehören in Spanien die Weine von dortigen Erzeugern wie allen voran Raúl Pérez und Descendientes de J. Palacios und mitunter ebenso Mengoba, Losada oder Veronica Ortega zum Kanon. Mehr über das Bierzo, seine Lebensader Fluss Sil und seine Hauptrebsorten Mencía und Godello können Sie in meinem Portrait übers Weingut Losada lesen.

Weine aus Tasting, etwa mit Corpinnat von Torello
Rechts: En el Camino 2019 von Michelini i Mufatto. Zu den zwei anderen Weinen kommen wir jetzt.

Ein Wein aus Valencia mit 95 Parker-Punkten

Auch die Weine der D.O. Valencia sind in Deutschland (leider) weitgehend unbekannt. Letztes Jahr besuchte ich dort den großartigen Winzer Rafael Cambra. Als fünften Wein des Abends tranken wir seinen Casa Sosegada 2020. Die von mir gestellte Quizfrage lautete hierzu, ob dieser Wein (Costa quanta: 17 Euro) mit 95 oder 91 oder 88 Parker-Punkten beurteilt wurde. Nur Marta kreuzte die richtige Antwort „95 RP“ an, während alle anderen Freunde nicht komplett hingerissen waren, manche den Wein sogar eher mittelmäßig fanden.

Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass man auf Punkte nicht allzu viel geben sollte. Eine sehr hohe Bewertung bedeutet nicht, dass ein Wein automatisch allen Leuten gefällt. Genau genommen sprechen wir hier übrigens nicht von Parker-, sondern von Luis-Gutierrez-Punkten. Er bewertet die spanischen Weine im Namen von Robert Parker. Der Maestro selbst hat sich schon lange in den Ruhestand verabschiedet.

Persönlich finde ich Casa Sosegada 2020, diesen hellfarbenen Rotwein, allerdings schon ziemlich brillant. Rafael vergärt ihn zu dreißig Prozent mit den Rappen und baut ihn in Betoneiern aus. Casa Sosegada 2020 verfügt über eine beeindruckende Balance, Präzision und Frische, dazu über eine enorme Griffigkeit, Länge und Persönlichkeit. Wirklich klasse!

Manche Leser und Leserinnen mögen sich fragen, ob ein spanischer 2020er-Rotwein vielleicht noch zu jung ist und es besser wäre, ihn länger in der Flasche reifen zu lassen. Einerseits ist das richtig: Dieser Wein wird sich im Laufe der Zeit bestimmt positiv entwickeln. Andererseits sind die Weine des „Neuen Spaniens“ so gemacht – kein Neuholz, weniger Extraktion – dass man sie bereits in jungen Jahren prima trinken kann. Ich habe das Gewächs ein paar Stunden vor dem Tasting doppelt dekantiert, damit es sich aromatisch besser entfalten kann.

Die in den levantinischen Gebieten populäre Monastrell macht mit 50 Prozent die Hauptsorte in der Cuvée aus. Die andere Hälfte stellen einheimische valenzianische Trauben wie Arcos, Forcalla, Bonicaire und Rojal. Diese im vergangenen Jahrhundert beinahe ausgestorbenen Rebsorten entwickeln sich nun im Zuge des Klimawandels zu echten Hoffnungsträgern (wenngleich sie derzeit noch Randfiguren im Weinbau sind). Denn diese Reben sind spätreifend, hitzeverträglich und sie ergeben darüber hinaus Weine mit relativ moderaten Alkoholgraden und fabelhafter Säure. Einen Artikel von mir über Rafael Cambra und einen sortenreinen Rotwein aus der Forcalla-Traube finden Sie bereits über diesen Link.

Rafael Cambra, Valencia
Rafael Cambra in einem seiner Weinberge als ich ihn im September 2021 besuchte. Diese Lage ist mit der in Valencia heimischen Traube Forcalla bestockt.

Ein Schäumer, der nicht Cava, sondern Corpinnat heißt

Bleibt noch die Frage nach dem Lieblingswein des Abends von unserer Quiz-Siegerin Marta. Ihr gefiel der Schaumwein Finca Can Marti 2015 Brut vom Weingut Torelló aus dem katalanischen Penedès-Gebiet am besten. Mit sechs Jahren Hefelager (damit ist die Zeit von der zweiten Gärung in der Flasche bis zur Entfernung des Hefedepots gemeint) hat er freilich schon die typischen Aromen von Brotteig und Brioche entwickelt. Auch die Frucht wird im Laufe der Zeit reifer. Zugleich besitzt dieser Schaumwein einwandfreie Spannung und Frische. Gemacht ist er aus den drei typischen Sorten des Penedès Xarel.lo, Parellada, Macabeo plus Chardonnay.

Abgesehen davon, dass Finca Can Marti 2015 ein klasse Schaumwein von einem insgesamt erstklassigen Erzeuger ist, könnte für Leser und Leserinnen vielleicht interessant sein, dass es sich – trotz traditioneller Methode – um keinen Cava handelt. Dieser Schaumwein erscheint vielmehr unter der Bezeichnung Corpinnat. Diesem Verbund gehören derzeit elf Weingüter an, die alle zu den Spitzenbetrieben im Penedès gezählt werden dürfen. Der Name setzt sich aus dem lateinischen Wort „Pinnae“ für Penedès sowie den katalanischen Wörtern „cor“ (Herz) und „nat“ (geboren) zusammen. Corpinnat bedeutet folglich „Geboren im Herzen des Penedès“.

Im Januar 2019 traten die Corpinnat-Weingüter aus der D.O. Cava aufgrund von Unzufriedenheit über deren Qualitätsstandards aus. Corpinnat ist aber keine D.O. wie Cava, sondern eine EU-Kollektivmarke. Sich selbst geben die Mitglieder strenge Regeln bezüglich Weinbau und Weinbereitung vor. Dazu zählen etwa 100% biologischer Anbau, 100% Handlese, mindestens 18 Monate Hefelager und kein Zukauf von Grundweinen. Sprich: Die gesamte Weinbereitung findet im eigenen Weingut statt. Was bei Corpinnat als Selbstverständlichkeit gilt, ist in der D.O. Cava dagegen eher unüblich ist: Eine vollständig eigene Weinbereitung unternehmen in der D.O. Cava aktuell nur 13 von über 200 Produzenten. Diese dürfen sich dann als „Elaborador Integral“ bezeichnen.

Zu Cava vs. Corpinnat habe ich für WEIN+MARKT (Heft 08/2022) einen langen Hintergrundbericht geschrieben. Wer kein Abonnement dieses Fachmagazins hat, findet auch auf diesem Blog einen Beitrag zum Thema, in dem ich außerdem weitere Spitzenschäumer und Top-Erzeuger vorstelle.

Torello, Corpinnat, Can Marti
Ein komplexer und vollmundiger Schäumer mit knapp 6 Jahren Hefelager. Finca Can Marti 2015 von Torelló.

So, das war’s mit dem schweißtreibenden andalusischen Sommer. Meinerseits ist er hiermit offiziell beendet. Mal sehn, ob ihn das kümmert oder ob die Sonne im September einfach weiter knallt. Abschließend, für alle die es interessiert, noch das Wine-up unseres End-of-summer-Tastings:

Markus Molitor, Haus Klosterberg Riesling trocken, 2020, Mosel
Luis Pérez, El Muelle de Olaso, 2021, Cadiz
Entreosrios, Komokabras Albariño Verde, 2021, Galicien
Torelló, Finca Can Marti Brut, 2015, Corpinnat
Rafael Cambra, Casa Sosegada, 2020, Valencia
Michelini i Mufatto, En el Camino, 2019, Bierzo
Niepoort, Nat’ Cool Drink Me Tinto, 2021, Bairrada
Tierra, Crianza, 2019, Rioja
Mas Que Vinos, Viña El Señorito de Ercavio, 2016, Toledo
Barranco Oscuro, 1368 Cerro las Monjas, 2003, Granada

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