Spaniens unbekannte Rebsorten

Juan Garcia, Rebsorten in Spanien

Spanien ist mit knapp einer Million Hektar Rebfläche das größte Weinland der Welt. Was die Weinproduktion betrifft, liegt Spanien hinter Frankreich und Italien an Nummer 3. Dies liegt daran, dass insbesondere Zentralspanien, wo ein Großteil des spanischen Weinbaus stattfindet, besonders trocken ist, die Böden somit unfruchtbarer sind und deshalb in der Regel weitere Pflanzabstände zwischen den Reben vorherrschen.

Spanien ist nicht nur ein großes, sondern auch ein vielfältiges Weinland. Reben werden am Atlantik, am Mittelmeer, auf Hochebenen, in Bergen und auf Inseln kultiviert. Folglich findet Weinbau in Spanien in ganz unterschiedlichen Klimazonen und teils konträren Standorten statt: Man denke nur an die D.O. Rías Baixas an der galicische Atlantikküste im Nordwesten mit teils über 1600 mm Niederschlag im Jahr und an die mediterran geprägte D.O. Jumilla im Südosten mit weniger als 300 mm Regenaufkommen. Beide Appellationen verfügen über völlig verschiedene Terroirs in Bezug auf Klima, Böden, Rebsorten und Rebenerziehungssysteme.

Weinberg von Bodegas Ponce in Kastilien-La Mancha. Man beachte die Pflanzabstände.
Weinberg von Bodegas Ponce in Kastilien-La Mancha. Man beachte die Pflanzabstände.
Pergola-Erziehung in Rías Baixas am Atlantik in Galicien. Je höher die Trauben überm nassen Boden hängen, umso besser der Schutz gegen Fäulnisbefall.
Pergola-Erziehung in Rías Baixas am Atlantik in Galicien. Je höher die Trauben überm nassen Boden hängen, umso besser der Schutz gegen Fäulnisbefall.
Buschreben in Málaga nahe dem Mittelmeer. Die Erziehung findet nah am Boden statt, damit dieser die Sonne nicht reflektiert und die Trauben möglichst viel Schatten erhalten.
Buschreben in Málaga nahe dem Mittelmeer. Die Erziehung findet nah am Boden statt, damit dieser die Sonne nicht reflektiert und die Trauben möglichst viel Schatten erhalten.

Wie sieht es mit der Vielfalt an Rebsorten aus?

Insgesamt sind in Spanien 235 Rebsorten im Anbau. Diese Zahl klingt durchaus beeindruckend, wird aber dadurch relativiert, dass die führenden zwanzig Trauben über achtzig Prozent der Rebfläche des Landes ausmachen. Allein die rote Tempranillo mit etwa 200.000 Hektar und die weiße Traube Airén mit mehr als 200.000 Hektar stellen gemeinsam über vierzig Prozent des nationalen Rebsortenspiegels.

Die Gründe für den Untergang einst populärer und verbreiteter Sorten sind vielfältig: Manche (rote) Trauben passten nicht zum Parker-Stil, der ab den 1990er-Jahren gefragt war, da sie helle Rotweine mit schlankem Körper und niedrigeren Alkoholgraden ergeben. Aufgrund derselben Eigenschaften eignen sich solche Rebsorten ebenfalls nicht für die Fassweinproduktion: Die sogenannten Bulkweine werden nach Farbe und Alkoholgehalt bezahlt – je mehr davon, umso besser.

Darüber hinaus sind manche Rebsorten weniger produktiv und insgesamt schwieriger im Anbau als andere. Nach der Reblausplage setzten spanische Winzer im 20. Jahrhundert in vielen Regionen auf Trauben, die robust sind und hohe Erträge ergaben. Manche Reben, die zuvor noch häufig im Anbau waren, fielen durch das Raster und starben wie zum Beispiel die weiße Godello in Nordwestspanien fast aus.

Nicht zuletzt hatte das Verschwinden bestimmter Trauben mit der großen Armut nach dem spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) zu tun: Die folgenden Jahrzehnte der Franco-Diktatur waren bis in die 1970er von Landflucht sowie politischer und wirtschaftlicher Isolation geprägt. Abgesehen von bereits etablierten und erfolgreichen Marken in Rioja, bei Cava und Sherry gab es keinen höherpreisigen Qualitätsweinmarkt für andere spanische Weine – weder national noch international. Es ging also in den meisten Regionen darum, möglichst viele und günstige Weine für den lokalen Markt zu keltern, womit wir wieder bei den robusten und ertragreichen Sorten landen, welche den Trauben mit weniger Erträgen den Rang abliefen.

Viele der wiederentdeckten roten Rebsorten kommen dem Trend nach frischen und weniger alkoholischen Weinen nach.

In den letzten Jahren lassen sich Trends erkennen, die den lange verschmähten Sorten ein Revival bescheren: Zwar sind Billigweine für Supermärkte und spanische Marmelade à la Parker nach wie vor unter Weintrinkern gefragt. Zugleich gibt es aber vermehrt Konsumenten, denen der Sinn nach frischen, schlanken und weniger alkoholischen Rotweinen aus autochthonen Rebsorten steht – Weine, die interessant und individuell sind und außerdem etwas kosten dürfen. Dies ist freilich ein internationaler Trend.

Zudem ist der Klimawandel spürbar: Durch die Erderwärmung gewinnen Rebsorten mit guter Säure und moderaten Zuckerwerten an Bedeutung, da sie in der Lage sind frische Weine zu ergeben, deren Alkoholgrade nicht durch die Decke schießen.

Last, but not least haben wir es mit einer neuen jungen Generation an Winzern zu tun, die lieber auf einheimische Reben als auf „Allerweltssorten“ setzt und die lokale Rebsorten als ein kulturelles Erbe betrachtet. Warum soll ich Tempranillo, Cabernet und Merlot anbauen, wenn es vor meiner Haustür einen großen Schatz an alten autochthonen Trauben gibt, der nur darauf wartet wieder entdeckt zu werden? So in etwa lautet sinngemäß die Frage, die sie sich stellen.

Im Folgenden gehe ich auf sieben rote Trauben ein, die beispielhaft für diese neue Bewegung stehen. Sie wachsen an verschiedenen Standorten und unterscheiden sich in vielen Eigenschaften. Was die Sorten eint: eine gute bis hervorragende Säure, moderate bis niedrige Alkoholgrade und Rotweine mit transparenter Farbe.

Málaga und Romé

Die rote Romé wird heute einzig in der andalusischen D.O. Sierras de Málaga kultiviert. Sie ergibt frische, saftige Rotweine mit moderaten Alkoholgraden. Bereits 1807 wird die Traube im Werk eines Rebsortenforschers als autochthon in den Provinzen Málaga und Granada angegeben. In Granada ist sie praktisch ausgestorben. In Málaga – bislang nur auf ein paar Dutzend Hektar im Anbau – kommt sie wieder in Mode.

Bei der Romé handelt sich um eine klassische Mittelmeerrebe. Sie verfügt über dicke Schalen und durchläuft einen langen Reifezyklus. Die Beeren in den Traubenclustern sind dicht aneinander gepresst, was die Romé anfällig für Pilzbefall macht – in einem kühlen und feuchten Klima könnte die Romé keine gesunden Trauben entwickeln. Die heißen trockenen Sommer in den Bergen von Málaga, wo die Sorte auf 700 bis 1000 Metern Höhe angebaut wird, sowie eine stetige Brise vom Mittelmeer verhindern jedoch die Bildung von Schimmelpilzen. Mehr über die Romé, ihr Terroir und einige interessante Weine aus ihr habe ich bereits in diesem Beitrag veröffentlicht.

Vicente Inat im Romé-Weinberg. Rebsorten wie Romé, Doradilla und Moscatel hat er im Anbau.
Vicente Inat von Viñedos Verticales. Er keltert in der Sierras de Málaga einen saftigen, rotfruchtigen Rotwein aus der autochthonen Romé.

Valencia und Forcalla

Die rote Forcalla findet sich in den Anbaugebieten D.O. Valencia und D.O. Alicante. Die Sorte kommt mit Hitze und Trockenheit gut klar, was sie für diese Standorte bestens eignet. Dennoch ist sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast ausgestorben. Warum nur? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Kooperativen in Valencia und Alicante produzierten damals bloß Bulkweine, also billige Fassware für Großhändler und Großproduzenten. Im Gegensatz zu Monastrell und Garnacha Tintorera ergibt die Forcalla-Traube aber „nur“ helle Rotweine mit niedrigem Alkoholgehalt, was sie als Fassware disqualifizierte. Viele ihrer Stöcke wurden folglich ausgerissen und durch alkoholischere Sorten ersetzt. Die Forcalla überlebte einzig auf wenigen Hektaren – ein Schicksal, das sie mit anderen lokalen Rebsorten wie Mandó und Arcos teilt. 

Dank einiger qualitätsorientierter Winzer und Weingüter wie Celler del Roure und Rafael Cambra erleben diese Sorten nun ein kleines Revival in Valencia und Alicante. Hierzu habe ich einmal mehr in diesem Beitrag geschrieben.

Forcalla ist eine von vielen interessanten Rebsorten im Valencia-Gebiet.
Forcalla-Trauben im Weinberg von Rafael Cambra in Valencia.

Galicien und Brancellao

Im Herbst 2019 war ich in der galicischen D.O. Ribeira Sacra unterwegs. Unter anderem traf ich dort Chema Rivera von Ponte da Boga. Das Weingut befindet sich 100 Kilometer Luftlinie von der Atlantikküste entfernt, liegt auf über 500 Metern Höhe und hat auf 24 Hektar zahlreiche autochthone Rebsorten im Anbau, darunter die rote Brancellao, die bei Ponte da Boga einen druckvollen, geradlinigen Rotwein mit hervorragender Frische ergibt. Mehr darüber in diesem Beitrag.

Was mir außerdem einfällt, ist die Geschichte eines Weinguts, welches ich den Tag davor besuchte und das in der dritten Generation geführt wird: Der Großvater hatte praktisch alle typischen Sorten für das Gebiet im Anbau: die roten Mencía, Merenzao, Sousón und Brancellao sowie die weißen Godello, Loureira, Caiño und Doña Blanca. Als der Vater übernahm, riss er alle diese Sorten – bis auf Mencía – heraus und pflanzte komplett mit Mencía nach. Einfach deshalb, weil es seinerzeit die Sorte mit der größten Nachfrage war. Als der Sohn vor einigen Jahren übernahm, entledigte er sich wiederum einem guten Teil der Mencía und bestockte die frei gewordenen Flächen erneut mit Merenzao, Brancellao, Loureira und Doña Blanca. Dieses Beispiel veranschaulicht im Kleinen, was ich einleitend über die Gründe des Verschwindens und Wiederauftauchens bestimmter Rebsorten in Spanien geschrieben habe.

José Maria Rivera vom Weingut Ponte da Boga. Er keltert in Ribeira Sacra einen Rotwein aus Brancellao mit lebhafter Säure und Grip.

Katalonien und Trepat

Trepat ist eine Rebsorte aus Katalonien, die auch in Valencia vorkommt und dort den Namen Bonicaire trägt. Die Sorte hat einen langen Reifezyklus und zeigt sich mit ihren dicken Beerenschalen äußerst hitzebeständig, was sie für den Anbau in einem mediterranen Klima geradezu prädestiniert. Beeindruckend sind außerdem ihre hohe natürliche Säure bei niedrigen Zuckerwerten, was in knackig-frischen Rotweinen mit niedrigen Alkoholgraden resultiert. Erst neulich hatte ich einen sortenreinen Rotwein mit leichten 11,5% Vol. aus der katalanischen D.O. Conca de Barbera im Glas.

Aufgrund dieser Eigenschaften kommt die Trepat ebenfalls in der Cava-Produktion für Rosés zum Einsatz. Gerade bei Schaumweinen, die im traditionellen Verfahren hergestellt werden, ist es wichtig, dass der Grundwein über hohe Säure und niedrige Alkoholgrade (bei gleichzeitiger aromatischer Reife) verfügt. All dies bietet die Trepat, dazu rotfruchtige und würzig-pfeffrige Aromen.

Hitzeverträglich, hohe Säure, wenig Zucker – der Trepat wird im Zuge des Klimawandel die Zukunft gehören. Bei der Erzeugung von Cava-Rosé ist sie bereits dabei der fürs mediterrane Klima weniger geeigneten Pinot Noir den Rang abzulaufen.

Trepat kommt in Katalonien unter anderem bei der Cava-Erzeugung zum Einsatz (Foto: D.O. Cava).
Trepat kommt in Katalonien unter anderem bei der Cava-Erzeugung zum Einsatz (Foto: D.O. Cava).

Salamanca und Rufete

Ein kühleres Klima benötigt die dünnhäutige Rufete, das sie in den Hochlagen der nicht regenarmen Sierra de Salamanca vorfindet. Das Anbaugebiet befindet sich 200 Kilometer westlich von Madrid, bis nach Portugal sind es nur siebzig Kilometer.

In den richtigen Händen, beispielsweise bei Viñas del Cambrico, ergibt die Rufete hochfeine Rotweine, die schlank, mitunter zart und immer superfrisch anmuten. Sie erinnern – nicht nur wegen ihrer transparenten Farbe, sondern auch stilistisch und aromatisch – eher an Gewächse aus französischen Sorten wie Pinot Noir und Gamay. 

In einer Studie der Universität von Valladolid wurde ein Rückgang der Rufete in Kastilien-León von 15.900 Hektar im Jahr 1962 auf 2.300 Hektar im Jahr 2005 festgestellt. Einer der Gründe war die starke Landflucht, in deren Folge viele Weinberge verwahrlosten. Heute werden Weinberge rekultiviert und die Bestände nehmen wieder langsam zu. Mehr über die Rufete und Salamanca habe ich in diesem Beitrag geschrieben.

Rufete, Viñas del Cámbrico, Sierra de Salamanca. Von Rufete gibt es zwei Rebsorten - je weiß und rot
Alte Rufete-Reben beim Weingut Viñas del Cambrico in Salamanca.

Arribes und Juan Garcia

Rufete wächst ebenfalls in der D.O. Arribes an der Grenze zu Portugal. Die dortige Hauptsorte ist allerdings Juan Garcia. Sie hat dicke Beeren mit dünnen Schalen, weshalb sie in Portugal auch liebevoll „Negra Gorda“ („Rote Dicke“) genannt wird.

In Arribes zieht der Duero-Fluss einen tiefen Canyon in die Landschaft. Entlang der Uferhänge und auf dem darüber liegenden Plateau befinden sich die Weinberge. Rund 200 Hektar der Juan García sind in der D.O. Arribes im Anbau. Hier findet die Traube ein für sie ideales Klima, das viel Wärme und Sonne bietet, um vollständig auszureifen. Gleichzeitig ist das Klima nicht so extrem heiß und trocken wie es in anderen Anbaugebieten entlang des Duero-Flusses, zum Beispiel in Toro, der Fall ist.

Aufgrund ihrer Eigenschaften – dicke Beeren, dünne Haut – ergibt die Juan Garcia hellfarbene Rotweine. Mitunter sind sie hervorragend strukturiert, ohne von Tannin dominiert zu sein. Ausgezeichnete Weine aus sehr alten Reben kommen vom Weingut El Hato y el Garabato, mehr darüber in diesem Beitrag.

Alte Juan-Garcia-Rebe in Arribes nahe Portugal. Weingut El Hato y el Garabato.

La Mancha und Tinto Velasco

Tinto Velasco war vor der Reblausplage in Kastilien-La Mancha weit verbreitet. Danach wurde sie kaum mehr kultiviert. Den Grund hierfür vermutet man in der biologischen Beschaffenheit der Sorte: Zum einen treibt Tinto Velasco früh aus. Auf der Hochebene von La Mancha mit 600 bis 850 Metern Meereshöhe ist sie somit frostgefährdet, denn im Frühjahr kann es dort nachts empfindlich kalt werden. Darüber hinaus platzen ihre Beeren schneller als bei einigen anderen Sorten.

Trotz der Risiken im Weinbau hat sich Winzer Elias López Montero von Bodegas Verum entschieden die Tinto Velasco wieder anzubauen. Denn sie bringt auch einige Vorteile mit: Top-Säure, moderater Alkoholgehalt, gute Struktur und insgesamt viel Saftigkeit. Elias López denkt, dass die Tinto Velasco eine Sorte der Zukunft ist, weil sie dem Klimawandel standhalten kann, indem sie frische Weine mit moderatem Alkohol ergibt. Mehr über den Weinmacher und die Tinto Velasco in diesem Beitrag.

Elias López erzeugt in La Mancha einen knackig-frischen Rotwein aus Tinto Velasco. Er setzt auf Rebsorten, die dem Klimawandel standhalten.
Elias López erzeugt in La Mancha einen knackig-frischen Rotwein aus Tinto Velasco.

Ein kurzes Fazit zum Schluss

Spanien ist dabei seine Vielfalt an autochthonen Reben wieder zu entdecken, was seine Vielfalt an Regionen, Kulturen, Terroirs und Klimazonen reflektiert. Dies betrifft weitaus mehr Rebsorten als ich hier genannt habe. Ebenso bezieht sich die Entwicklung nicht nur auf rote, sondern auch auf Weißweinreben wie Malvar in La Mancha, Doradilla in Andalusien oder Merseguera in Valencia, um nur ein paar Namen zu nennen. In Produktionszahlen ist die Bewegung noch klein, aber aufzuhalten ist sie nicht mehr.

Unbedingt lohnt es sich außerdem ein Augenmerk auf Rotweine aus roten Trauben wie Espadeiro und Caiño Tinto aus dem galicischen Anbaugebiet Rías Baixas zu richten. Bekanntlich dominiert in dieser Appellation zu 95 Prozent die weiße Albariño-Traube. Gleichwohl ergänzen einige Top-Erzeuger ihr Portfolio um knackig-frische, leichte und floral anmutende Rotweine aus jenen Reben. Einen Beitrag über diese einzigartigen roten Gewächse aus Rías Baixas habe ich unter diesem Link bereits veröffentlicht.

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